Granger Ann - Varady - 02
des
Lieferwagens. »Jimmie hat irgendetwas von Gemüse erzählt«, murmelte ich.
Das Innere des Lieferwagens war, soweit ich es sehen
konnte, übersät mit Blattwerk und Laub der verschiedensten Sorten. Aus einer Tesco-Tüte lugte eine Ananas.
»Gemüse?« Angus sah mich überrascht an. »Nein, da hat
er wohl was falsch verstanden. Obst, Früchte.«
»Oh.« Das klang ein wenig besser. »Wo ist das Ding? Das
Gestell?«
»Ich hab’s schon in die Halle gebracht.« Er stand auf.
»Hier, du nimmst diese Tasche und das …« Er drückte mir
zwei Plastiktüten in die Hand. »Ich bringe die Lianen rein.«
In der Halle herrschte das reinste Chaos. Eine Frau in einem grellroten Rock und mit einer Patchworkjacke brüllte
jedem Instruktionen zu, der sich die Mühe machte ihr zuzuhören, doch die meisten Leute ignorierten ihr Geschrei.
Sie drückte einen Stapel Karten an ihre flache Brust.
»Die einzelnen Stände sind mit Kreide am Boden markiert!«, kreischte sie. »Neuankömmlinge holen sich bitte eine Nummer bei mir ab!« Sie hielt den Stapel Karten in die
Höhe. Niemand nahm auch nur die geringste Notiz von ihr.
»Sie machen alles falsch, Reg!«, heulte sie einem Individuum mittleren Alters zu, die neben ihr stand.
»Dann sollen sie halt selbst sehen, wie sie klarkommen«,
empfahl Reg.
»Aber es ist ein grauenhaftes Durcheinander! So tu doch
etwas, Reg!«
Zwei Mädchen trotteten vorüber. Sie trugen eine mit Limonengrün und Rot gesprenkelte Plane zwischen sich.
»Kommen Sie und holen Sie sich Ihre Nummer!«, bettelte
die Frau.
Die Mädchen beachteten sie nicht, genau wie alle anderen, und marschierten weiter in die Halle hinein.
Die Frau bemerkte mich. »Haben Sie schon Ihre Nummer?«, fragte sie mutlos.
Ich erklärte ihr, dass ich ein Exponat sei und kein Aussteller.
»Trotzdem brauchen Sie eine Nummer«, bemerkte sie
störrisch.
Reg schob sich herbei und spähte in meine Einkaufstüten.
»Meine Güte, haben Sie da vielleicht Ihr Mittagessen mitgebracht, Schätzchen?«
Als er erfuhr, dass ich die Früchte am Leib zu tragen gedachte und nicht beabsichtigte, sie zu essen, kicherte er.
»Mensch, eine richtige Carmen Miranda!«
Mir fiel ein, dass Angus etwas von Ordnern erzählt hatte,
die Querulanten von unserem Festival der Kultur fern halten sollten. Offensichtlich war Reg alles, was wir in dieser
Hinsicht hatten. Er war Mitte fünfzig und übergewichtig.
Vielleicht war er früher einmal ein beeindruckender Mann
gewesen, doch das war Vergangenheit, seit er einen Rettungsring auf den Hüften mit sich herumtrug. Ich erkundigte mich nervös nach den Türstehern.
»Sie kosten Geld, Schätzchen«, antwortete Reg. »Professionelle Türsteher kosten eine Menge Geld. Wir brauchen sie
bestimmt nicht. Nicht am helllichten Tag.«
»Es ist schließlich ein Kunstfestival«, warf die Frau im roten Rock ein. »Was sollen da ein paar schwergewichtige
Schläger an der Tür, die missmutig die Leute anstarren? Die
vergraulen nur die Besucher.«
Nun ja, vielleicht sollte man die Pferde wirklich nicht unnötig scheu machen. Doch die Neuigkeit trug nicht gerade
zur Beruhigung meiner ohnehin gereizten Nerven bei.
Angus tauchte auf, die Arme voll mit Grünzeug. »Wir
müssen dort hinüber, nach rechts«, informierte er mich.
»Ihre Nummer!«, kreischte die Frau.
»Keine Sorge, ich hab schon eine«, beruhigte er sie.
»Dann sind Sie wahrscheinlich der Einzige, der eine hat!«,
fauchte sie ihn an. Sie drückte Reg den Stapel Karten in die
Hand. »Du machst hier weiter. Ich geh einen Kaffee trinken.
Mir platzt sonst der Kopf!«
Angus und ich gingen zu einer markierten Stelle, wo er
den Rahmen bereits abgelegt hatte, der mich mehr an ein
Folterwerkzeug erinnerte als an irgendetwas anderes.
Sein Schöpfer trat einen Schritt zurück und betrachtete
ihn. »Was sagst du – ist er in Ordnung?«
Selbst meine Kenntnisse über die Ausstellung halfen mir
nicht, das zu bestimmen. Ich sagte, dass er wohl in Ordnung
zu sein scheine.
»Wir verwandeln die Welt in einen Müllhaufen«, informierte er mich. »Das ist die Folge unseres Lebensstils. Und
indem wir so leben, verwandeln wir uns selbst in eine Ansammlung von Müll. Müll rein, Müll raus.«
Deswegen die Skulptur aus Müll, dachte ich. Der dünne
Mann starrte wütend auf den Rahmen, den Angus für mich
angefertigt hatte. »Wie ich sehe, ist Ihr Freund ein Minimalist«, sagte er. »Die reine Spirale als Repräsentation der spirituellen Suche des Menschen, die ihn entweder
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