Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Granger Ann - Varady - 02

Titel: Granger Ann - Varady - 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denn umsonst ist nur der Tod
Vom Netzwerk:

Fußballhemd sie zweimal überlegen ließ, ob es klug war, die
gleiche Art von sarkastischen Bemerkungen fallen zu lassen
wie bei den übrigen Exponaten. Stattdessen richtete sich ihr
ganzer Spott auf den Mann aus Schrottmetall.
Der Schrottmann war bald kreidebleich vor Zorn. »Philister!«, heulte er. »Kulturbanausen!«
Nach einer Weile kamen die ersten echten Besucher. Zuerst nur wenige, einige mit Einkaufstüten von ihren samstäglichen Besorgungen, doch alle schienen von unserem
Rechteck magisch angezogen zu werden. Angus hatte Recht
gehabt mit seiner Idee einer lebenden Skulptur. Sie – ich –
übte eine eigenartige Faszination auf die Betrachter aus.
Die Nachricht schien sich in Windeseile zu verbreiten,
denn bald kamen Massen von Leuten, und alle strömten in
unsere Ecke der Halle, in der bald dichtestes Gedränge
herrschte. Ich konzentrierte mich auf das Stillstehen, und
bald schon wurde mir bewusst, wie sehr die Wachen vor
dem Buckingham Palace leiden mussten.
Kommentare flogen hin und her. »Sie muss echt sein, ich
hab gesehen, wie sie blinzelt!«
»Das arme Ding, sie hat bestimmt gleich einen Krampf!«
Und auch sonderbare Bemerkungen wie: »Wahrscheinlich
ist sie an so was gewöhnt.«
Kameras blitzten. Angus war im siebten Himmel, und
selbst der Blechmann wurde wieder munter, wahrscheinlich
in der Hoffnung, dass die Fotografen seine Skulptur automatisch mit im Bild hatten.
Zwischen ein und zwei Uhr mittags war die Ausstellung
geschlossen, um den Künstlern eine Pause zu ermöglichen.
Angus half mir aus dem Gestell und entfernte einen Teil der
weniger gut befestigten Blätter und Kunstobjekte.
»Du hattest Recht mit der Ananas«, räumte er großzügig
ein.
»Natürlich hatte ich das.«
Ich bewegte mich zur Toilette, um auch das restliche Kostüm auszuziehen und dem Ruf von Mutter Natur nachzukommen. Im Waschraum stand ein Stuhl. Ich setzte mich in
Büstenhalter und Hose hin, um eine Tasse Kaffee zu trinken
und ein Sandwich zu essen, das Angus durch die Frau im
roten Rock zu mir hatte bringen lassen.
»Die Ausstellung läuft ganz ausgezeichnet«, begeisterte
sich die Frau. »Ich glaube, Sie sind unglaublich tapfer.« Sie
stand besorgt vor mir. »Sie werden sich nicht erkälten, oder?
Wir haben die Heizung an.«
Ich versprach ihr, dass mir nicht kalt sei. Tatsächlich war
es in dem Gestell mit all den Blättern und dem Grünzeugs
und so weiter sogar ziemlich warm gewesen. Sie versicherte
mir erneut, wie tapfer ich sei und dass sie es nicht gemacht
hätte, nicht für alles Geld der Welt.
Ich musste sehr frühzeitig zurück auf unseren Standplatz,
damit Angus alles wieder befestigen konnte. Die Besuchermassen waren nach der Mittagspause nicht mehr so groß.
Die Leute verbrachten ihre Samstagnachmittage mit anderen Dingen. Die Ausstellung sollte um halb fünf schließen;
gegen Viertel nach drei fing ich an darüber nachzudenken,
ob wir vielleicht tatsächlich pünktlich fertig sein könnten.
Während ich noch darüber nachdachte, wurde mir bewusst,
dass ich angestarrt wurde.
Ich hatte mich inzwischen einigermaßen an die Gaffer
gewöhnt, doch das hier war etwas anderes. Der Blick war so
intensiv, dass sich meine Nackenhaare sträubten. Schlimmer noch, es war ein gemeiner, niederträchtiger Blick, und
sein Besitzer schien mich zu erkennen. Er weckte in mir die
gleiche Furcht, die ich in meinem unterirdischen Schlafzimmer empfunden hatte, als mein nächtlicher Besucher
zum ersten Mal aufgetaucht war. Mein nächtlicher Besucher
… das musste er sein!
Mir brach der Schweiß aus. Er rann mir über den Rücken
in den feuchten Bodystocking und die Wirbelsäule hinunter
wie ein kalter Finger. Ich drehte den Kopf ein ganz klein
wenig zur Seite.
Sie waren zu zweit und standen nebeneinander. Merv
und sein Kumpan. Merv, groß, bleich und ungeschlacht wie
immer, kaute teilnahmslos auf einem Kaugummi. Doch
Merv war mir egal. Der andere interessierte mich weitaus
mehr. Zum ersten Mal sah ich ihn von Angesicht zu Angesicht. Kein Motorradhelm mit getöntem Visier, kein Fenstervorhang, keine dicke runde Milchglasscheibe in der Decke, die ihn vor meinem Blick abschirmte. Das hier war
mein Ungeheuer, im hellen Tageslicht.
Im Grunde war er eher enttäuschend. Er war klein, stämmig, mit olivfarbener Haut und dünner werdendem Haar.
Sein Körperbau hatte genau die Silhouette, wie ich sie durch
den Vorhang meines Zimmers hindurch in Erinnerung behalten hatte. Ich wusste außerdem mit plötzlicher

Weitere Kostenlose Bücher