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Granger Ann - Varady - 03

Titel: Granger Ann - Varady - 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die wahren Bilder seiner Furcht
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wenig einengt«, sagte
Tig. »Nicht gegen das Gesetz zu verstoßen. Kommst du
denn den Bullen nicht in die Quere?«
»Hin und wieder«, räumte ich ein und fügte unbekümmert hinzu: »Aber mit denen komme ich zurecht.«
Sie kennen sicher das Sprichwort »Hochmut kommt vor
dem Fall?« oder? Tig stellte keine weiteren Fragen mehr,
sondern starrte mit nachdenklich gerunzelter Stirn in das
schwarze Kanalwasser, während sie eine lange Haarsträhne
um einen Finger wickelte.
»Weißt du«, riss ich sie aus ihren Gedanken, »ich war total überrascht, als ich dich vor ein paar Tagen auf der Straße
getroffen hab. Ich dachte, du wärst längst wieder nach Hause zu deiner Familie zurückgekehrt, dahin, wo du hergekommen bist.«
Sie stieß ein ersticktes Lachen aus. »Ich kann nicht mehr
zurück, nicht jetzt, nicht so, wie ich jetzt bin. Kannst du dir
ihre Gesichter vorstellen, wenn sie mich so sehen würden?
Nein, das kannst du nicht, natürlich nicht. Du kennst sie ja
nicht.«
»Du meinst deine Eltern?«
»Sie sind wirklich anständige Leute«, erklärte sie düster.
»Richtig anständig. Meine Mutter ist so stolz auf ihr Haus,
dass sie die Streifen nicht ertragen kann, die der Regen auf
den Fenstern hinterlässt. Sie putzt die Fenster, sobald es
aufhört zu regnen. Sie ist immer irgendwo am Putzen. Ein
perfektes Haus, das hat sie, weil er es so mag, mein Dad. Alles ist tipptopp in Schuss. Ich kann nicht nach Hause zurück, Fran.«
»Du könntest es versuchen.« Ich beugte mich vor. »Hör
zu, Tig, früher oder später wird Jo Jo deiner überdrüssig,
meinst du nicht? Du wirst ihn nicht mehr haben wollen.
Wohin willst du von hier aus gehen?«
»Sei still!« In ihrer Stimme lag so viel gequälter Schmerz,
dass ich wegen meiner Frage ein schlechtes Gewissen bekam. »Was glaubst du denn, Fran? Was glaubst du denn,
was ich denke, jeden verdammten Tag? Glaubst du, ich
freue mich auf ein weiteres Weihnachtsfest auf der Straße?
Selbst wenn Jo Jo und ich ein Zimmer in einem Asyl fänden,
wäre es nur für ein paar Tage, und danach auf die Straße zurückzukehren ist noch schlimmer, als wäre man gleich dort
geblieben. Ich komme nicht zurecht mit diesen Wohlfahrtsorganisationen, Fran, und ich bin kein Stehaufmännchen
wie du!«
»Reiß dich zusammen!«, sagte ich scharf. »Das ist nicht
wahr, und das weißt du sehr wohl! Es braucht eine Menge
Mumm, sich von den Drogen loszureißen, und das hättest
du nicht geschafft, wenn du nicht noch andere Pläne für
dein Leben hättest, irgendeine Vorstellung, eines Tages aus
diesem Sumpf herauszufinden …«
Sie schluchzte laut auf und stürzte sich auf mich, die kleinen Hände zu Fäusten geballt. Sie traf mich einige Male, doch
ich konnte die meisten Schläge abwehren, weil sie blind vor
Wut war und nicht zielte. Schließlich wurde sie schwächer
und hörte auf. Ihre Hände sanken in den Schoß zurück.
Einige Sekunden saß sie schweigend da, dann richtete sie
sich auf, warf die Haare nach hinten und bedachte mich mit
einem versteinerten Blick. »Ich muss gehen«, sagte sie. »Ich
verdiene kein Geld, wenn ich hier herumsitze und mit dir
dummes Zeug rede.«
»Warum schreibst du deiner Familie nicht einmal?«,
drängte ich sie. »Eine Postkarte würde schon reichen. Melde
dich bei ihnen. Ruf sie an.«
»Wie sollte ich das tun? Sei nicht dumm, Fran.« Sie klang
müde und verärgert. »Ich weiß nicht einmal, wie die Situation zu Hause ist. Vielleicht wohnen sie gar nicht mehr dort!
Vielleicht haben sie sich so geschämt, dass sie den Nachbarn
nicht mehr in die Augen sehen konnten. Vielleicht sind sie
umgezogen. Sie sind so. Meine Eltern tun solche Dinge.«
»Aber vielleicht sind sie noch dort und hoffen jedes Mal,
wenn das Telefon läutet, dass du am anderen Ende der Leitung bist …«
»Halt die Klappe!«, zischte sie, während sie aufsprang
und Anstalten machte zu gehen. Ich wusste, wenn ich sie
jetzt verlor, dann war es für immer. Sie würde sich nie wieder mit mir hinsetzen und reden. Sie war bereits einige Meter weit entfernt, am Fuß der Steintreppe, die zur Brücke
hinaufführte.
»Was hast du denn schon zu verlieren?«, rief ich ihr verzweifelt hinterher.
Ich dachte, dass sie mich nicht gehört hätte, doch dann
blieb sie stehen und wandte sich um. Es wurde inzwischen
sehr rasch dunkel, und ich konnte ihr Gesicht nicht erkennen,
nur ihre dürre, ausgemergelte Gestalt. Ihre Stimme klang so
unheimlich dünn, dass mir eine Gänsehaut über den

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