Granger Ann - Varady - 03
meine Fantasie ging mit mir durch. Oder
der Verfolger war schneller gewesen als ich und hatte sich im
Bruchteil der Sekunde, die ich zum Umdrehen benötigt hatte, in einen Eingang gedrückt oder ebenfalls abgewandt und
kehrte mir nun den Rücken zu. Nachdenklich ging ich weiter.
Der Regen war im Verlauf der vorangegangenen Nacht weitergezogen, und den ganzen Morgen über hatte eine launische Sonne geschienen. Die Straßen und Bürgersteige waren
getrocknet. Dennoch war auf der Straße vor meiner Wohnung eine Pfütze übrig geblieben. Normalerweise sammelte
sich dort kein Wasser, doch es hatte heftig und ausdauernd
geregnet. Ich schenkte ihr keine weitere Beachtung. Ich hatte nicht viel von Daphne gesehen seit unserer Unterhaltung
über der Flasche Wein, die ihre Neffen mitgebracht hatten.
Soweit ich wusste, waren die Knowles-Zwillinge nicht noch
einmal da gewesen, doch ich hielt die Augen offen. Daphne
war nicht die einzige Person, die in meinen Gedanken herumschwirrte. Tig war auch noch da. Ich hätte mich nicht
weiter darum kümmern sollen; es ging mich nichts an.
Doch ich beschloss, einen Versuch zu unternehmen. Der
Tag war relativ hell, doch das würde nicht lange anhalten.
Spätestens um vier würde es wieder dunkel werden. Falls ich
Tig finden wollte, musste ich bald aufbrechen. Ich trank
schnell eine Tasse Tee und machte mich auf die Suche nach
ihr.
Ich kehrte zu dem Hauseingang in der Nähe des Supermarkts zurück, wo ich sie beim ersten Mal entdeckt hatte,
doch sie war nicht dort. Ich weitete meine Suche kreisförmig aus, denn ich hielt es für wahrscheinlich, dass sie und
ihr Partner diese Gegend bearbeiteten. Doch sie schienen
weitergezogen zu sein. Vielleicht hatte man sie vertrieben,
entweder die Ordnungshüter oder weil sie jemand anderem
in die Quere gekommen waren. Wie dem auch sei, weder
Tig noch der Kerl in der karierten Jacke waren irgendwo zu
sehen.
Ich beschloss aufzugeben und machte mich auf den Weg
in die Camden Street, weil ich nichts Besseres zu tun hatte,
solange es noch hell war.
Während ich durch die Chalk Farm Road wanderte,
spürte ich, wie sich meine Stimmung besserte. Meiner Meinung nach kam diese Straße dem Dickens’schen London am
nächsten, voller Leben, Vulgarität und Verschiedenartigkeit.
Die Gegend wurde zwar durch den allmählichen Zuzug besserer Läden und Antiquitätengeschäfte ein wenig aufgebessert, doch sie war immer noch beruhigend exzentrisch und
ihren einfachen Wurzeln verhaftet.
Der letzte Regen hatte die Straße sauber gewaschen. Die
schwarzen Pferde mit den roten Augen in der Fassade von
Round House glänzten, als wären sie von einem höllischen
Stallburschen gestriegelt worden. Ich fühlte mich von den
Versprechungen des Circus of Horrors und des Terrordome
angelockt, doch beide waren gegenwärtig geschlossen. Also
spazierte ich weiter, zwischen Gebrauchtwagenhändlern,
billigen Kleiderläden, Schnellrestaurants und Straßenhändlern hindurch. Ich sah hinauf zu den großen gemalten
Schildern über den Läden, den Figuren, den riesigen Holzstiefeln, dem tarnfarbenen Panzer, dem Rocker in Lederklamotten, dem silbernen Totenschädel und, wie konnte es
anders sein, dem Meer roter Flammen über dem TatooStudio.
Ich wusste, dass die Stables und die Märkte am Kanal
jetzt noch nicht geöffnet hatten, doch vielleicht waren noch
vereinzelte Stände vom Markt in der Inverness Street da,
und ich konnte mir dort etwas kaufen, das billig war und
mir Freude machte. Wenn die Standbesitzer abbauen, sind
sie manchmal froh, wenn sie einem etwas praktisch zum
Selbstkostenpreis überlassen können. Doch bevor ich auch
nur in die Nähe der Stände kam, bemerkte ich ein Stück
weit voraus eine karierte Jacke, und tatsächlich, da war er,
Tigs »Freund«. Ich war genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort; Sekunden später betrat er das Man in The Moon
Pub und war verschwunden.
Er würde wahrscheinlich für eine ganze Weile dort bleiben. Tig war nicht bei ihm, doch ich wettete zehn zu eins,
dass sie nicht weit weg sein konnte. Schätzungsweise hatten
die beiden einen neuen Platz ausgekundschaftet, und sie war
dort zum Betteln zurückgeblieben, während er das Geld für
Bier ausgab. Ich war nun auf der Jagd. Ich suchte unter der
Eisenbahnbrücke nach Tig, in der Umgebung des großen
Supermarkts hinter der Hauptstraße, bei der Brücke über
den Kanal und wäre am Ende im Eingang der Camden
Town Tube Station fast über sie gestolpert.
Sie war alles andere als erfreut,
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