Granger Ann - Varady - 03
Rücken lief. »Sie hoffen wahrscheinlich, dass ich tot bin, Fran.
Für sie bin ich tot. Bald werde ich tot sein. Das wissen wir
beide.«
»Unsinn!«, bellte ich zurück. »Du gibst auf! Das ist nicht
die Zeit zum Aufgeben!«
»Warum denn nicht?« Sie klang ganz ruhig, viel zu ruhig.
Ich musste sie festhalten, musste sie am Reden halten.
»Vielleicht fällt uns etwas ein, wenn wir zusammen darüber nachdenken!«
»Du bist verrückt, Fran! Du warst schon immer verrückt!
Versuch nicht, mir zu helfen. Ich sagte doch schon, die Leute machen es immer nur noch schlimmer, wenn sie einem
helfen wollen.«
»Aber schlimmer kann es doch kaum noch werden!«, widersprach ich. »Aber du willst raus aus diesem Sumpf, und
ich kann dir vielleicht helfen. Wenigstens könnte ich es versuchen.« Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie ich das
bewerkstelligen wollte, und wahrscheinlich hätte ich mich
nicht in ihre Angelegenheiten mischen sollen, doch ich
konnte spüren, wie sie entschlüpfte, nicht nur körperlich,
sondern mental. Vor einigen Augenblicken hatte ich einen
Kontakt mit ihr hergestellt, wenn auch nur für ganz kurze
Zeit. »Ist es denn keinen Versuch wert?«, rief ich. »Oder
möchtest du lieber warten, bis Jo Jo dir die Zähne ausschlägt
und mit einem anderen Mädchen verschwindet?«
Sie stieß einen Fluch aus und machte auf dem Absatz
kehrt. »Du findest mich morgens im Zeitungsladen bei der
Verkehrsampel, ein Stück weit die Straße runter von der
Stelle, wo ich dich das letzte Mal gesehen habe. Du kannst
auch eine Nachricht dort für mich hinterlassen, bei Ganesh
Patel.«
Ich hörte, wie sie eine kurze Verwünschung ausstieß und
weiterging.
Ich ließ sie gehen und fragte mich, ob ich sie jemals wieder sehen würde. Ich sagte mir, dass es keine Rolle spielte,
falls nicht. So war das Leben auf der Straße. Menschen kamen und gingen. Wenn jemand verschwand, dann meistens
deshalb, weil er es so wollte. Jeder hatte das Recht dazu –
anonym zu sein, vor neugierigen Fragen verschont zu bleiben, keine Rechenschaft über sich selbst ablegen zu müssen.
Es war Tigs Entscheidung, wie sie leben wollte. Am Ende
war es ganz allein ihre Angelegenheit, und es ging mich
nichts an.
»Es geht dich wirklich nichts an, Fran, absolut überhaupt
nichts«, murmelte ich vor mich hin. Ich stieg die Treppe
hinauf und machte mich auf den Weg nach Hause.
Kein Mensch ist eine Insel, hat mal jemand gesagt. Er hat
sich gründlich geirrt. Jeder von uns ist eine.
KAPITEL 4 »Guten Morgen, Süße!«
»Hallo Hitch!«, entgegnete ich wenig begeistert.
Er war pünktlich, so viel musste ich ihm zugestehen. Es war
erst kurz nach acht. Ich war zehn Minuten früher eingetroffen
und hatte einen niedergeschlagenen Ganesh vorgefunden. Ich
bildete mir ein, dass er erleichtert war, als er mich sah. Ich ging
in den Waschraum, um einen letzten Blick auf die alte Einrichtung zu werfen, und ich sah einmal mehr, wie dringend die
Renovierung war. Hari hatte wirklich nicht den geringsten
Grund, sich hinterher zu beklagen. Ich wünschte nur irgendwie, dass nicht ausgerechnet Hitch die Arbeiten durchgeführt
hätte. Es gab immer einen Haken, wenn er die Finger im Spiel
hatte, irgendetwas, das er einem verschwiegen hatte. Doch so
sehr ich mich auch anstrengte, ich konnte beim besten Willen
nicht sehen, wo in diesem kleinen Raum der Haken sein sollte.
»Geh und sag ihm, dass er das Hintertor aufmacht, Süße,
ja?«, schnaufte Hitch in diesem Augenblick. Es musste ihm
inzwischen aufgegangen sein, dass er nicht gerade zu meinen
Lieblingen zählte, und er war vorsichtig geworden. »Damit
Marco und ich die Sachen abladen und den alten Plunder
nach draußen schaffen können, in Ordnung? Du willst sicher
nicht, dass wir mit dem Zeug durch den Laden marschieren,
oder?«
Ganesh kam in diesem Augenblick aus dem Lager, und so
antwortete ich nur: »Sag es ihm selbst.«
»Ich gehe und schließe auf«, sagte Ganesh, der unsere
Unterhaltung offensichtlich mitgehört hatte. Er sah mir direkt in die Augen, und ich wusste, dass es eine Ermahnung
war, die Handwerker nicht zu verärgern.
Er verschwand wieder nach hinten und ging in den kleinen Hof. Hitch folgte ihm und blickte sich aufmerksam um.
Ich hoffte nur, dass er im Lager die Finger bei sich behielt.
Ich war für den Augenblick auf mich allein gestellt. Ich
kramte herum, ordnete die Magazine und Zeitungen und
füllte die Körbe mit Süßigkeiten und verpackten Snacks auf,
bis die Glocke ging und die
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