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Granger Ann - Varady - 03

Titel: Granger Ann - Varady - 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die wahren Bilder seiner Furcht
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später aus dem Laden auf die Straße
trat, sah ich aus wie Johanna von Orleans auf dem Weg zum
Scheiterhaufen. Meine Haare sahen aus wie eine rotbraune
Badehaube. Sie hatte die Stacheln oben auf meinem Kopf
abgeschnitten, bis sie nur noch wenig länger waren als die
Seiten, und anschließend alles nach vorn zu einer dünnen
Locke auf der Stirn gekämmt. Ich musste einräumen, dass es
gar nicht schlecht aussah, ziemlich gut sogar, und entschieden besser als vorher.
Wegen meines Besuchs beim Friseur kam ich erst gegen
halb vier zu Hause an, und das Tageslicht war bereits zu einem schmutzigen Grau verblasst. Es würde bald dunkel
werden. Mir fiel auf, dass die Pfütze vor meinem Haus immer noch nicht getrocknet war. Es hatte noch nicht wieder
geregnet, und ich wunderte mich ein wenig, bevor meine
Aufmerksamkeit abgelenkt wurde.
In Daphnes Wohnzimmerfenster brannte Licht, und die
Vorhänge waren nicht zugezogen. Sie benutzte das Wohnzimmer nur selten. Neugierig trat ich näher und bemerkte
Charlie und Bertie, die dicht beieinander standen und in eine lebhafte Diskussion verwickelt waren. Charlie lehnte am
marmornen Kaminsims, und Bertie rauchte eine Pfeife. Die
beiden sahen aus wie der Prototyp eines Ganovenpärchens.
Daphne war nirgends zu entdecken. Wahrscheinlich stand
sie in der Küche und kochte Tee für dieses unbeschreibliche
Duo.
Ich widerstand dem Drang, an die Tür zu klopfen und sie
zu besuchen. Wenn sie mir erzählen wollte, was die beiden
nun schon wieder ausgeheckt hatten, dann würde sie es zu
gegebener Zeit tun. Doch der Anblick der beiden, die sich so
zu fühlen schienen, als gehörte ihnen das Haus bereits,
reichte aus, dass sich meine Nackenhaare aufrichteten.
Ich stieg die Treppe hinunter zu meiner kleinen Souterrainwohnung, stellte den Wasserkocher an und ging meine
spärliche Garderobe durch. Da ich im Verlauf der letzten
drei Monate keine neuen Kleidungsstücke erstanden hatte –
abgesehen von einem Paar handgestrickter Socken mit Ledersohlen, das Daphne freundlicherweise für mich angefertigt hatte, wohl kaum geeignet für ein abendliches Weihnachtsdinner –, sah es wohl danach aus, als würde ich mich
wieder mit dem knöchellangen roten Rock (von Oxfam)
und der ethnisch-indischen Weste (Camden Lock Market)
begnügen müssen, zusammen mit einem schwarzen Polosweatshirt (BHS Schlussverkauf) und meinen Doc-MartensStiefeln, weil sie die einzigen Schuhe waren, die ich zu dieser
Zeit besaß, abgesehen von den uralten Turnschuhen, die in
beiden Sohlen Löcher hatten.
Später, nachdem ich geduscht und alles angezogen hatte,
stand ich vor dem Badezimmerspiegel, um die Wirkung zu
begutachten. Ich sah aus wie ein richtiger Lumpensack. Als
ich noch Dramaturgie studierte, hatten wir ein Stück einstudiert, Blithe Spirit, und ich musste die Rolle von Madame
Arcati lesen, dem verrückten Medium. Nun sah ich aus, als
hätte ich mich für die Rolle verkleidet. Das laute Schellen
der Tür lenkte mich von meinen düsteren Gedanken ab.
Es war noch nicht einmal Viertel vor acht, was bedeutete,
dass es nicht Ganesh sein konnte. Außerdem hatten wir verabredet, uns im Laden zu treffen. Auf dem Weg zur Tür
bemerkte ich den Umschlag auf der Fußmatte davor. Entweder hatte ich ihn beim Hereinkommen in der Dunkelheit
übersehen, oder jemand hatte ihn unbemerkt durch den
Schlitz geschoben, während ich im Bad gewesen war. Ich
bückte mich, hob ihn auf und steckte ihn in die Tasche, bevor ich die Tür mit vorgelegter Kette öffnete und nach
draußen spähte.
Es war einer der beiden Knowles-Brüder, dem braunen
Tweedjackett nach zu urteilen. »Guten Abend!«, krähte er
vergnügt und grinste anzüglich. »Dürfte ich auf ein paar
Worte reinkommen, meine Liebe?«
»Ich wüsste erstens gerne vorher, worum es geht, und
zweitens bin ich nicht Ihre Liebe«, sagte ich durch den Spalt
in der Tür. Es war schlimmer, als von Hitch ständig »Süße«
genannt zu werden. Wenigstens tat Hitch es unbewusst.
»Dauert nur einen kurzen Augenblick«, flötete er zuckersüß.
Ich öffnete den Mund, um ihm zu sagen, dass er sich verziehen sollte, doch dann fiel mir ein, dass er einer von
Daphnes Neffen war. Also nahm ich die Kette ab und ließ
ihn eintreten. Er tänzelte über die Schwelle und trottete uneingeladen an mir vorbei in mein Wohnzimmer. Dort blieb
er stehen, mitten im Raum, und ließ den Blick über die Einrichtung schweifen. Er mochte vielleicht mit meiner Vermieterin verwandt sein, doch er

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