Granger Ann - Varady - 03
bringe den Film rüber zu Joleen
im Drogeriemarkt am Ende der Straße. Sie haben einen EinStunden-Service dort.«
Hitch und Marco hatten die Arbeit im Waschraum wieder aufgenommen. Hitch pfiff durchdringend falsch, während sie die alten Fliesen von den Wänden abschlugen. Jede
einzelne landete mit lautem Scheppern und Klirren auf dem
Boden.
»Ich ertrage diesen elenden Krach einfach nicht mehr«,
sagte ich zu Ganesh. »Ich muss sowieso kurz rüber zum
Drogeriemarkt. Ich brauche ein paar Tabletten gegen Kopfschmerzen.«
»Wir verkaufen auch Kopfschmerztabletten«, sagte Ganesh, der seinen Geschäftssinn trotz allem nicht verloren
hatte.
Mittags sprang ich kurz nach draußen und zu dem Drogeriemarkt an der Straßenecke, um den entwickelten Film abzuholen. Es war Samstag und der Laden zum Bersten voll.
Joleen, der ich den Film gegeben hatte, bediente soeben einen Kunden. Eine andere Frau ging die Bilder für mich holen.
»Hier steht«, las sie von einem Zettel ab, »dass der größte
Teil des Films unbelichtet war und lediglich vier Bilder belichtet wurden.« Sie sah mich neugierig an.
»Das ist schon in Ordnung«, antwortete ich unbeschwert,
als wäre das nichts Neues für mich. Ich bezahlte die Entwicklungskosten und verließ mit den Bildern den Laden.
Ich konnte dem Drang nicht widerstehen, bereits auf dem
Rückweg zu Ganesh einen Blick auf die Fotos zu werfen,
doch sie waren nicht sonderlich interessant. Sie zeigten drei
Männer an einem Tisch in einer Art Garten vor einem
Swimmingpool, vielleicht in einem schicken Hotel. Exotische Blumen blühten über einem Bodendecker, der an einer
weiß getünchten Wand wuchs. Ganz rechts im Bild, auf der
anderen Seite der Mauer, war ein Stück Küste zu sehen, eine
Art Strand, ein wenig Hinterland und das Meer. Einer der
Männer war dunkelhäutig und trug einen Schnurrbart, einer wandte der Kamera den Rücken zu, und ich sah lediglich seine dunklen Haare und ein schweißfleckiges graublaues Hemd. Der dritte Mann, in mittlerem Alter, war
blond oder grauhaarig, das war auf dem Foto schwer zu erkennen. Er sah plump und wohlhabend aus und wirkte
trotzdem hart. Er trug ein buntes Freizeithemd. Eine dunkle
Sonnenbrille hing an einem Sicherheitsband um seinen
Hals. Also doch Urlaubsschnappschüsse, dachte ich und spürte, wie Enttäuschung in mir aufstieg. Ich wusste nicht, was
ich erwartet hatte.
»Hier«, sagte ich zu Ganesh und schob ihm die Bilder in
einer ruhigen Minute ohne Kundschaft hin. »Was hältst du
davon?«
»Nichts«, sagte Ganesh nach einem kurzen Blick auf die
Fotos.
»Sie müssen aber etwas zu bedeuten haben!«, beharrte ich.
»Nein, haben sie nicht. Erzähl mir bloß nicht, dass der
Typ, der hier bei uns war, sich die Mühe gemacht haben
soll, diese Bilder im Waschraum zu verstecken! Vier Bilder
von ihm und seinen Kumpanen an der Costa Brava?«
»Er ist nicht auf den Bildern zu sehen«, wandte ich ein.
»Er ist nicht dieser Typ, der mit dem Rücken zur Kamera
sitzt, bestimmt nicht.«
»Dann hat er die Bilder eben selbst geschossen! Was ich allerdings nicht glaube, weil ich denke, dass sie ihm überhaupt
nicht gehören. Das alles ergibt doch keinen Sinn, Fran!«
Ich betrachtete die Schnappschüsse ein wenig genauer.
Auf dem Tisch stand eine Flasche Bier, mit dem Etikett zur
Kamera.
»Wenn wir dieses Bild hier vergrößern lassen, könnten
wir das Etikett lesen und wüssten vielleicht mehr«, sagte ich.
»Es sind ganz gewöhnliche Urlaubsbilder«, sagte Ganesh
geduldig. »Und selbst du änderst nichts daran. Sieh dir doch
nur das Hemd von diesem Typ da an!«
»Es sieht warm und nach Ferien aus, zugegeben«, räumte
ich ein.
»Vielleicht wurden die Bilder auf den Kanaren aufgenommen«, sagte Ganesh nachdenklich. Trotz seiner vorgeblichen Gleichgültigkeit konnte ich sehen, dass ihn die Sache
nach und nach genauso brennend interessierte wie mich.
»Usha und Jay waren auf den Kanaren im Urlaub, und diese
Bilder passen zu ihren Fotos.«
Usha war seine Schwester, und Jay war ihr Ehemann, ein
Steuerfachmann. Jay hatte eine spektakuläre Karriere gemacht, und nun studierte Usha in Abendkursen Betriebswirtschaft, damit sie in seinem Büro arbeiten konnte. Je besser es ihnen ging, desto niedergeschlagener war Ganesh. Ich
sagte ihm, dass es niemandes Schuld war, höchstens seine
eigene. Er musste zusehen, dass er endlich aus dem Einzelhandelsgeschäft ausstieg.
Jetzt war nicht der Augenblick, um dieses delikate Thema
anzuschneiden. In
Weitere Kostenlose Bücher