Granger Ann - Varady - 03
mitgebracht. Sie wärmte das
Essen im Ofen auf und servierte es auf einem Tablett. Offensichtlich wollte sie die Kosten für ihr Logis bei mir abarbeiten. Ich nahm es dankbar zur Kenntnis. Tig war schon damals in der Jubilee Street nicht faul gewesen. Sie hatte ihren
Teil der Arbeit stets ohne Murren erledigt. Als ich darüber
nachdachte, wie sie damals ausgesehen hatte und was aus ihr
geworden war, in welch elendem Zustand sie sich heute befand, kam Traurigkeit in mir auf, und ich begann mich zu
fragen, was ihre Eltern wohl sagen würden, wenn sie Tig so
sahen. Wie konnte ich die Quayles darauf vorbereiten?
Wir waren mit dem Abwasch beschäftigt, als jemand an
der Tür läutete. Tig, die während der ganzen Zeit munter
geplaudert hatte, war augenblicklich wieder in der Defensive. »Wer ist das?«, zischte sie misstrauisch.
»Warte«, sagte ich. »Ich gehe nachsehen.«
Ich spähte hinter dem Vorhang durch das schöne neue
Fenster nach draußen und wurde mit dem Anblick von Jason Harford belohnt, der von der Tür weggetreten war und
den frischen Kitt mit skeptischen Blicken betastete. Hinter
mir klickte die Badezimmertür. Tig hatte sich versteckt, und
sie hatte Bonnie mit sich gezerrt.
Ich trat Tigs Seesack hinter das Sofa und warf den Schlafsack hinterher, sodass keine Spuren mehr von meinem Besuch zu sehen waren. Dann erst ging ich zur Tür und öffnete Harford.
»Alles in Ordnung, Fran?«, fragte er, und er klang nicht
nur aufrichtig besorgt, sondern sah auch so aus. Er schien
völlig vergessen zu haben, wie kühl wir uns in der vorangegangenen Nacht voneinander verabschiedet hatten.
»Wie Sie sehen können«, erwiderte ich. Hinter der Badezimmertür hatte Bonnie wegen der fremden Stimme angefangen zu bellen. »Ich habe die Hündin im Bad eingesperrt«,
erklärte ich. »Sie ist seit gestern Nacht ein wenig zu nervös.
Sie ist der Meinung, jeden Fremden vertreiben zu müssen.«
»Ein Glück, dass Sie das Tier im Haus hatten«, sagte Harford. »Parry hat berichtet, sie würden es für eine Freundin
verwahren.«
»Das ist richtig.« Er stand mitten im Raum und blickte
sich nervös um. Er trug wieder seinen schicken Anzug und
sah trotzdem noch nicht aus wie ein durchschnittlicher Polizist in Zivil vom CID. Ich fragte mich erneut, wie er zur
Polizei passte, wenn überhaupt. »Ich habe meine Aussage
bereits gemacht«, sagte ich und forderte ihn damit indirekt
auf, den Grund seines Besuchs zu nennen.
»Ja, ich weiß, ich habe das Protokoll gelesen. Wir werden
eine Beschreibung des Mannes herausgeben. Allerdings
schätze ich, dass er untergetaucht ist. Ich bin vorbeigekommen, um Ihnen vorzuschlagen, dass Sie mit auf das Revier
kommen und einen Blick in unsere Kartei werfen. Vielleicht
haben wir ihn bereits in den Akten.«
»Ich kann heute nicht mehr«, sagte ich. »Vielleicht morgen.«
»Ich dachte, wenn ich Sie gleich mitnehme …«, wollte er
anfangen, doch ich schnitt ihm das Wort ab.
»Morgen, haben Sie mich nicht verstanden? Ich habe für
heute genug Polizisten um mich herum gehabt!« Ich klang
bereits wie Tig.
Ich sah, wie er sich versteifte. Es machte ihm tatsächlich
zu schaffen, dass die Leute ihn wegen seines Berufs nicht
mochten.
»Es ist nichts Persönliches«, sagte ich müde. »Aber mir
hängt diese verdammte Geschichte zum Hals heraus, das
können Sie mir glauben.«
Er nickte. »Ich kann Sie verstehen. Dann also bis morgen.« Er zögerte. »Ach so, fast hätte ich es vergessen. Vielleicht interessiert es Sie zu erfahren, dass Sie nicht die Einzige sind, bei der gestern Nacht ein Einbruchsversuch stattgefunden hat.«
Falls das ein Versuch war, mich zu trösten, dann war er
verdammt unbeholfen. Mir war durchaus bewusst, dass es
in einer Stadt wie London Nacht für Nacht Dutzende von
Einbrüchen gegeben haben musste.
»Verstehen Sie mich nicht falsch«, fuhr er hastig fort, als
er meinen Gesichtsausdruck bemerkte. »Was ich meine ist,
gestern Nacht kehrte eine gewisse Mrs Joanna Stevens nach
Hause zurück und stellte fest, dass jemand in ihrem Haus in
Putney gewesen ist. Die lokale Wache hat uns über den Einbruch informiert, weil Mrs Stevens die Schwester von
Graeme Coverdale ist.«
Allmählich dämmerte mir, was er mir zu verstehen gab.
»Oh«, sagte ich.
»Coverdale hat in ihrem Haus gewohnt, wenn er im Land
war.« Harfords Interesse an Grundbesitz ließ ihn abschweifen. »Eine sehr gute Wohngegend. Alles große, frei stehende
Häuser in der Shaker Lane, wo Mrs Stevens
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