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Granger Ann - Varady - 04

Titel: Granger Ann - Varady - 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dass sie stets Boses muss gebaren
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redete. Ich bemühte mich, wieder klar zu sehen, und erkannte Ganesh, der vor mir in der
Hocke saß und mich aus seinem von schwarzen langen
Haaren eingerahmten Gesicht sorgenvoll musterte.
»Was ist los?«, fragte er. »Komm schon, Fran, was ist passiert?« Er streckte die Hand aus und legte sie mir auf den Arm.
Also erzählte ich ihm die Geschichte. Ich erzähle Ganesh
so gut wie alles, und er hat in der Regel immer guten Rat,
auch wenn ich ihn häufig nicht annehme. Doch diesmal
hatte ich Rat so dringend nötig wie noch nie zuvor.
»Du solltest in Ruhe darüber nachdenken«, sagte er.
»Schlaf darüber. Komm heute Abend rauf zu uns in die
Wohnung und iss mit uns. Du kannst ein wenig Gesellschaft
vertragen, schätze ich.«
Sie schlossen den Laden um acht, und als ich kurz vor
neun nach oben in die Wohnung ging, briet Onkel Hari in
der Küche Zwiebeln und verfolgte gleichzeitig auf dem kleinen Fernseher irgendein episches Video.
»Wie fühlst du dich jetzt?«, fragte Ganesh.
»Ich bin noch immer ganz aufgewühlt. Ich will sie nicht
sehen, Gan. Ich weiß, es klingt gemein, wo sie doch so krank
ist, aber was habe ich ihr schon zu sagen?«
»Vielleicht möchte sie dir irgendwelche Dinge sagen?«,
schlug er vor.
»Ich will sie nicht hören. Was kann sie schon tun? Sich
entschuldigen? Man kann sein Kind nicht einfach sitzen lassen und sich dann Jahre später entschuldigen, als wäre
nichts gewesen.«
»Warum nicht?«, fragte Ganesh. »Was kann sie sonst sagen? Jeder bedauert irgendwelche Dinge, die er getan hat.
Wenn man sie nicht aus der Welt schaffen kann, dann kann
man demjenigen, dem man es angetan hat, nur sagen, dass
es einem Leid tut. Weiter nichts. Weißt du denn, warum sie
es getan hat?«
»Nein«, antwortete ich. »Ich habe immer wieder über ihre Ehe mit Dad nachgedacht, seit ich erwachsen geworden
bin, und ich sehe, dass sie alles andere als perfekt war. Dad
war ein lieber, freundlicher, glücklicher Mann, selbst wenn
er nicht das gewesen sein mag, was man einen guten Versorger nennt. Er hatte immer eine Menge Ideen, nur dass sie
irgendwie nie funktioniert haben. Trotzdem, er hat sie geliebt, und genauso …« Die nächsten Worte blieben mir in
der Kehle stecken.
»… genauso hast du sie geliebt«, beendete Ganesh den
Satz für mich.
»Ja. Kleine Kinder lieben ihre Mütter. Aber Mutter hat
uns nicht geliebt, oder? Insbesondere hat sie sich offensichtlich einen Dreck daraus gemacht, was aus mir wird, sonst
hätte sie mich mitgenommen.«
»Kommt drauf an, wohin sie gegangen ist«, sagte Ganesh.
»Oder mit wem!«, schnappte ich zurück. Ich war es leid,
dass er ständig für sie Partei ergriff.
»War denn ein anderer Mann darin verwickelt?«
Ich sagte ihm, dass ich es nicht wüsste, dann nickte ich in
Richtung Küche. »Erzähl Onkel Hari nichts davon, okay? Er
wird sich nur unnötig Sorgen machen.«
Ganesh grinste flüchtig. »Woher weißt du das?«
Ich ließ mich tief in das alte, weiche Sofa sinken, die Arme fest über der Brust verschränkt, die Knie zusammengepresst, nicht ganz in der fetalen Position, aber fast. Ich war
verängstigt, verunsichert, wusste irgendwie, was ich zu tun
hatte, auch wenn ich mir von ganzem Herzen wünschte, ich
könnte dem Zusammentreffen mit meiner Mutter irgendwie entgehen, während ich mir zugleich bewusst war, dass
ich ihm unausweichlich entgegensteuerte. Ganesh saß in der
anderen Ecke, vorgebeugt, mit den Unterarmen auf den
Oberschenkeln und verschränkten Händen, während er mich
besorgt musterte. Trotz seiner Fähigkeit, stets den Anwalt des
Teufels zu spielen, wusste er in diesem Fall auch nicht so
recht, was zu tun war.
Nachdem wir gegessen hatten, verschwand Hari in seinem kleinen Büro, um die Bücher zu führen. Ganesh und
ich wuschen das Geschirr ab, dann setzten wir uns vor den
Fernseher und verfolgten – oder zumindest gaben wir vor,
sie zu verfolgen – eine politische Late-Night-Diskussion.
Ganesh sagte nichts mehr, weil er offensichtlich wusste,
dass ich nicht in der Stimmung war, noch weiter zu reden.
Es gab nur dieses eine Thema, und wir hatten alles darüber
gesagt, was es zu sagen gab. Es wäre lächerlich gewesen zu
versuchen, über irgendetwas anderes zu reden. Schließlich
döste er ein, mit den Armen vor der Brust verschränkt, die
Beine lang ausgestreckt und den Kopf auf einem ausgebleichten roten Kissen liegend. Er steht die ganze Woche
über in aller Herrgottsfrühe auf, um die morgendlichen Zeitungslieferungen hereinzuholen und

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