Granger Ann - Varady - 04
Geschäft arbeitet, hat irgendeinen Zuhälter, der ihr den größten Teil des Geldes wegnimmt. Es
macht mich rasend vor Wut.
Ich wusste, dass ich die richtige Nummer gewählt hatte,
sobald am anderen Ende der Leitung abgehoben wurde. Im
Hintergrund hörte ich Kinderstimmen und das unmelodische Klimpern eines Spielzeug-Xylophons. »Mrs Marks?«
»Am Apparat.« Sie klang gehetzt.
»Mein Name ist Francesca Varady. Ich bin die Tochter
von Eva Varady. Ich glaube …«
Sie ließ mich nicht ausreden. »Die Polizei war schon bei
mir und hat Fragen über Eva gestellt. Ich konnte ihnen nichts
sagen. Ich habe für ein paar Wochen auf das Baby aufgepasst,
weiter nichts. Das alles geht mich überhaupt nichts an.«
»Bitte«, bettelte ich. »Darf ich vorbeikommen und mich
mit Ihnen unterhalten?«
»Ich habe viel zu tun!«, schnappte sie. »Ich führe eine
Krippe!«
»Zehn Minuten, mehr nicht«, sagte ich. »Ich werde nicht
stören. Ich bin gut mit Plakatfarben.«
Das war eine glatte Lüge. Meine kindlichen Erfahrungen
mit Plakatfarben hatten stets damit geendet, dass mehr Farbe auf meiner Kleidung als auf dem Papier gelandet war.
»Kommen Sie heute Nachmittag gegen halb vier«, sagte
sie. »Bis dahin sind einige der Kinder bereits abgeholt worden, und es ist ein wenig ruhiger. Aber ich sage Ihnen
gleich, Sie verschwenden Ihre Zeit.«
»Vielen Dank, wunderbar! Können Sie mir die Adresse
geben?«
Sie schnaufte laut, doch dann nannte sie mir ihre Anschrift, bevor sie den Hörer so heftig auf die Gabel warf,
dass mein Trommelfell dröhnte.
Nachdem ich die Verabredung mit der Kinderfrau festgemacht hatte, marschierte ich los in Richtung Waterloo Station. Ich musste nach Egham und meine Mutter warnen,
dass die Behörden sich wohl einschalten und an sie herantreten würden. Ich musste außerdem Schwester Helen irgendwie alarmieren, ohne gleich mit der Tür ins Haus zu
fallen. Es geht doch nichts darüber, sich das Leben selbst
schwer zu machen – und wie um alles noch zu verschlimmern, stellte ich fest, dass einer der Reißverschlüsse meiner
neuen Stiefel kaputt war. Ich musste meine alten Schnürstiefel anziehen, und während ich damit beschäftigt war, riss
einer der Schnürsenkel, und der Rest war zu kurz, sodass ich
den Stiefel nur noch bis zum Knöchel schnüren konnte. Das
Resultat war, dass mein rechter Unterschenkel am Leder
scheuerte, während der linke fest im Stiefel steckte, was
meinen Gang unbeholfen und linkisch erscheinen ließ.
»Es ging ihr ziemlich schlecht in der Nacht«, begrüßte
Schwester Helen mich. »Aber sie ist wach heute Morgen
und wartet schon auf Sie. Ihre Stimmung hat sich ziemlich
gebessert. Ich glaube, es ist die Freude auf Ihren Besuch, die
sie durchhalten lässt, wissen Sie?«
Gewissermaßen. Es war die Hoffnung, dass ich Nicola
finden würde, die sie durchhalten ließ. Doch mein Widerwille dagegen schwand allmählich. Ich kam zurande damit.
Die Neuigkeit, dass es meiner Mutter nach meinem letzten
Besuch nicht so gut gegangen war, weckte allerdings Besorgnis in mir.
»Jackson war nicht wieder da?«, fragte ich.
Schwester Helen schüttelte den Kopf.
»Hören Sie«, sagte ich. »Ich möchte meine Mutter nicht
unnötig aufregen, aber es gibt da etwas, worüber ich mit ihr
reden muss. Es wäre möglich, dass die Dinge ein wenig unruhiger werden. Die Polizei wird sich wahrscheinlich wieder
bei ihr melden, und beim nächsten Mal wird sie darauf bestehen, mit ihr zu reden. Ich weiß, dass Sie die Polizei bisher
von ihr fern gehalten haben, und ich bin Ihnen wirklich
dankbar dafür. Aber ich kenne die Cops, und sie sind keine
mitfühlenden Seelen.«
Sie sah mich nachdenklich mit zur Seite geneigtem Kopf an.
»Hat es vielleicht etwas mit dem Tod von Mr Duke zu tun?«
»Beiläufig, ja«, gestand ich. »Ich muss meiner Mutter
wohl erzählen, dass er tot ist, wenn ich eine Möglichkeit dazu finde. Es ist besser, wenn sie es durch mich erfährt, als
wenn die Polizei es ihr sagt. Aber das ist nicht der Grund,
aus dem ich hergekommen bin. Es ist … es ist eine Familienangelegenheit.«
»Wenn Sie meinen, ihr etwas sagen zu müssen, was auch
immer es ist …«, erwiderte Schwester Helen auf ihre ruhige
Art, »… dann tun Sie das. Es ist Ihre Entscheidung. Allerdings
hat Ihre Mutter ebenfalls eine Wahl. Und sie mag sich vielleicht entscheiden, nicht mit Ihnen darüber reden zu wollen.
Und falls sie sich dazu entschließt, dann müssen Sie das akzeptieren. Wir können zwar immer Fragen
Weitere Kostenlose Bücher