Granger Ann - Varady - 05
dieses Gefühl von
Schaudern, die mir über den Rücken liefen. Ich ging zur
Treppe und wollte ebenfalls zurück nach oben, doch bevor
ich dort ankam, klapperten Schritte auf den Stufen, und
Luigi kam heruntergerannt.
Er blieb ein paar Schritte vor mir stehen und starrte mich
wütend an. »Was machst du hier unten?«, verlangte er zu
wissen.
Ich hielt ihm die Sardellendose unter die Nase. Sein Ton
gefiel mir nicht, und ich sah nicht ein, warum ich ihm eine
Erklärung schulden sollte.
»Ich habe dich runtergehen sehen«, sagte er. »Wie lange
brauchst du, um eine einzige Dose zu finden?«
»Nicht lange«, antwortete ich. »Ich habe ein Schwätzchen
mit Wally gehalten, über die alten Tage, als das hier noch
das Hot Spud Café war.«
Luigi schnaubte. »Dieser alte Penner! Hat er wieder
Weinflaschen geklaut?«
»Klaut er?«, fragte ich unschuldig.
»Ja, verdammt noch mal, er klaut!« Luigis Augen glitzerten gefährlich. »Ich habe Jimmie schon mehr als einmal gesagt, dass er ihn feuern soll.«
»Das ist Jimmies Entscheidung!«, fauchte ich. Ich hatte
genug. »Wally macht seine Arbeit, mehr nicht. Warum
machst du deine nicht?«
Luigi trat einen Schritt vor, doch ich blieb trotzig stehen.
»Was willst du damit sagen?«, fragte er gefährlich leise.
»Was ich damit sagen will? Es geht dich überhaupt nichts
an, warum ich hier unten bin! Du bist der Barmann. Ich bin
Kellnerin. Ich tue meine Arbeit, du tust deine.«
»Ja, sicher. Ich schlage vor, du gehst nach oben und fängst
mit deiner Arbeit an, okay? Die ersten Gäste sind schon da.
Was sollen sie tun? Ihre Bestellungen selbst in die Küche tragen?«
»Hör zu«, sagte ich. »Ich weiß nicht, was dir über die Leber gelaufen ist, und es interessiert mich auch nicht; aber
lass deine miese Laune nicht an mir aus, okay?«
Luigi stieß ein Schnauben aus und ging zu dem Regal mit
den kostspieligeren Weinen am anderen Ende der Wand.
Dort blieb er stehen und ließ den Blick über die Reihen von
Flaschen gleiten. Er fand eine Lücke und deutete vorwurfsvoll auf die leere Stelle.
»Der alte Mistkerl hat eine Flasche geklaut, siehst du das?
Gestern war hier noch keine Lücke. Ich habe das Regal gestern Abend selbst wieder aufgefüllt!«
»Ich habe jedenfalls nicht gesehen, dass er eine genommen hätte!«, giftete ich zurück. Das stimmte sogar. Ich hatte
nicht gesehen, wie Wally die Flasche aus dem Regal gezogen
hatte. Ich hatte nur gesehen, wie er sie in seine Manteltasche
geschoben hatte, doch ich kann ganz wunderbar Haare spalten, wenn Anschuldigungen durch die Luft fliegen.
Luigi drehte sich zu mir um und starrte mich nachdenklich an.
»Ich habe deinen beschissenen Wein nicht!«, giftete ich
weiter. »Wo sollte ich ihn in dieser Uniform überhaupt verstecken?«
Ein gemeines Grinsen zupfte an seinen Mundwinkeln. Er
war ein gut aussehender Kerl, und er wusste es. Ich wartete
darauf, dass er eine Bemerkung wegen meiner Uniform von
sich gab und wie ich darin rüberkam. Stattdessen meinte er
nur: »Wir verkaufen keinen beschissenen Wein in diesem
Lokal, ist das klar?«
Er redete ganz leise, doch in seiner Stimme war etwas, das
mich aufhorchen und unwillkürlich die Entfernung zwischen mir und der Treppe abschätzen ließ.
»Wenn du es sagst«, erwiderte ich. »Ich kenne mich nicht
aus mit Wein.«
»Wir haben einen guten Keller für ein kleines Restaurant.«
Luigi drehte sich wieder zu den Regalen um und holte eine Flasche hervor. »Siehst du?« Er zeigte mit dem Finger auf
das Etikett, das ich aus dieser Entfernung eh nicht erkennen
konnte. »Das ist der gleiche Wein, wie man ihn in den allerbesten Restaurants bekommt.«
»Schon gut, schon gut!«, beschwichtigte ich ihn. »Ich widerspreche dir ja gar nicht! Wenn du nichts dagegen hast,
gehe ich jetzt nach oben. Mario wartet bestimmt schon auf
seine Sardellen.«
Ich ging an Luigi vorbei zur Treppe. Als ich bei der untersten Stufe angekommen war, hörte ich seine Stimme hinter mir.
»Irgendwann erwische ich den alten Mistkerl beim Klauen, du wirst schon sehen. Irgendwann schnappe ich ihn. Sag
ihm das, wenn du das nächste Mal hier runterkommst, um
ein Schwätzchen mit ihm zu halten. Sag ihm, dass ich ihm
im Nacken sitze.«
»Sag es ihm doch selbst!«, giftete ich zurück und huschte
die Treppe hinauf, bevor er antworten konnte.
Luigi hatte recht. Es waren Gäste im Lokal. Ich steckte die
Dose mit Sardellen in meine Tasche und ging, um ihre Bestellungen aufzunehmen. Doch meine Gedanken waren woanders. Warum
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