Granger Ann - Varady - 05
zu
überprüfen, ob seine Augäpfel blutunterlaufen waren, bevor
er die Zunge herausstreckte und versuchte, sich selbst in den
Hals zu sehen. Wenn er nicht Acht gab, würde er sich noch
den Kiefer ausrenken.
KAPITEL 12 Ich hatte um sechs Uhr Schluss,
als Po-Ching und ihre Cousine zum Dienst erschienen. Die
Cousine war ein freundlich aussehendes Mädchen mit einem kleinen Nachteil: Sie sprach nicht gerade gut Englisch.
Tatsächlich sprach sie überhaupt kein Englisch, abgesehen
von ›Hallo‹ und ›Sehr gut‹.
Marios Wut war verraucht, und jetzt stand er schweigend
in der Küche und hämmerte seinen Kopf verzweifelt in die
offene Hand.
Ich schlug vor, dass wir Po-Chings Cousine eine Speisekarte gaben, auf der sämtliche Gerichte nummeriert waren.
Auf diese Weise konnte sie den Gästen sagen, dass sie auf
das zeigen sollten, was sie wollten, und sie musste Mario nur
noch die Nummer sagen.
»Wie in einem China-Restaurant«, fügte ich hinzu. »Es
wird funktionieren, bestimmt. Wenn ein Gast sie nach irgendwas auf der Karte fragt, kann sie ›Sehr gut‹ antworten,
und wenn es kompliziert wird, kann sie Po-Ching fragen.«
Mario sah mich mit dem Blick eines Mannes an, dessen
Leben jegliche Bedeutung verloren hatte. Er tat mir richtig
leid. Vielleicht war er ja tatsächlich nur ein Pizzabäcker und
kein verkappter Schurke. Vielleicht irrte ich mich ja in meiner Annahme, dass die Pizzeria in irgendwelche dunklen
Machenschaften verstrickt war. Was hatte ich schon herausgefunden? Dass sie Jimmie keinerlei Verantwortung übergeben wollten – aber hey, wenn Sie ein neues Geschäft eröffnen und möchten, dass es erfolgreich ist, würden Sie Jimmie dann die Verantwortung übertragen? Sie hatten ihm
den Titel ›Manager‹ gegeben, weil er den vorherigen Laden
besessen hatte und weil er Silvios Partner war. Sie mussten
irgendetwas mit ihm anfangen, ob es ihnen nun passte oder
nicht.
Ich konnte die Existenz von Max, dem dicken Mann,
nicht ignorieren. Nun, da ich die dunkle rundliche Gestalt
selbst gesehen hatte, wusste ich, dass Ion sich diese Geschichte nicht ausgedacht hatte. Doch andererseits … Hatte er tatsächlich gesehen, dass Max in der Pizzeria ins Büro gegangen
war, oder war dieser Teil nur Einbildung gewesen? Trotz
Ions Beharren hatte ich das Gefühl, er könnte sich geirrt haben. Ganesh, Susie, die Morgan und Parry dachten allesamt,
dass er sich geirrt haben musste. Um die Wahrheit zu sagen,
auch ich hoffte insgeheim, dass er sich irrte, was diesen Teil
der Geschichte betraf. Wenn Max tatsächlich im Büro des
San Gennaro gewesen war, dann schien Jimmie irgendwie
mit drinzuhängen, und das war etwas, das ich einfach nicht
glauben konnte. Ohne dieses Faktum jedoch gab es keine
Verbindung mehr mit der Pizzeria. Jeder kann in ein Restaurant spazieren und die Gästetoilette benutzen, und wenn er
der größte Halunke der Welt ist. Deswegen wären die Besitzer der Pizzeria noch lange nicht schuldig. Ich wünschte,
meine Suche im Keller hätte etwas ergeben. Das war es, was
ich brauchte: irgendetwas Handfestes, das ich Janice Morgan
zeigen oder wovon ich ihr erzählen konnte.
Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete ich den untröstlichen Mario, der in seiner Küche auf und ab marschierte und auf beunruhigende Weise Messer hochnahm
und wieder weglegte. Er hatte Ion angebrüllt, als dieser an
der Hintertür erschienen war und nach seinem Bruder und
nach Max gefragt hatte. Andererseits brüllte Mario jeden an.
Er mochte ja nur ein Pizzabäcker sein, doch er war wie einer
von jenen Prominentenköchen, von denen man immer
wieder hört: temperamentvoll. Und im Augenblick sah er
aus, als könne er sich jeden Moment in eines von seinen
Messern stürzen.
»Ehrlich, Mario, es klappt schon, ganz bestimmt«, versuchte ich, ihn zu trösten.
»Geh zu deiner Probe«, sagte er hohl.
Die Probe in meiner Wohnung war erst um halb neun.
Ganesh konnte nicht früher, weil Hari ihn im Zeitungsladen
brauchte. Carmel konnte ebenfalls nicht früher, weil sich
der Manager ihres Supermarkts weigerte, sie die Schicht
tauschen zu lassen, und darauf bestand, dass sie entweder
bis um acht arbeitete oder ihre Papiere einsammelte. Carmel, so schien es, hatte bereits mehrere Meinungsverschiedenheiten mit dem Manager ausgefochten, und die Drohung der Kündigung war nichts Neues für sie. Diesmal jedoch schätzte sie, dass er es ernst meinte. Sie hatte sich Rache geschworen, doch bis es so weit war, brauchte sie den
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