Grant County 03 - Dreh dich nicht um
gesagt, dass ich nicht mit dir sprechen will.«
»Ich mache mir Sorgen um dich.«
»Dafür kennst du mich doch gar nicht gut genug.« Beim Aufstehen ignorierte Lena die Hand, die er ihr hinhielt. »Erinnerst du dich? Wir heiraten ja nicht.«
Ethan sah zerknirscht aus. »Das hätte ich nicht sagen sollen.«
Lena ließ die Hand hängen, das Blut lief ihr in den Finger.
»Es ist mir scheißegal, was du gesagt hast.«
»Das mit gestern Nacht muss dir nicht peinlich sein.«
»Du warst es, der wie ein Schwein gegrunzt hat, als er kam.« Sie packte seinen Arm, und bevor er sie aufhalten konnte, schob sie ihm den Ärmel hoch.
Er riss sich los und zog den Ärmel wieder herunter, doch sie hatte die Tätowierung bereits gesehen: Ums Handgelenk verlief ein Stacheldrahtarmband, und darüber prangte etwas, das aussah wie ein Soldat mit einem Gewehr.
»Was ist das?«, fragte sie.
»Nur eine Tätowierung.«
»Eine Tätowierung von einem Soldaten«, stellte sie klar.
»Ich weiß alles über dich, Ethan. Ich kenne deine Hobbys.«
Er erstarrte wie ein Reh im Scheinwerferlicht. »Ich habe mich geändert.«
»Ach ja?« Sie zeigte auf ihr Auge. »Und das hier?«
»Es war nur eine Reaktion, eine kopflose Reaktion«, sagte er. »Ich mag es eben nicht, wenn ich geschlagen werde.«
»Wer mag das schon?«
»Es ist nicht so, wie du denkst, Lena. Ich versuche hier, ein besserer Mensch zu werden.«
»Was sagt deine Bewährungshelferin dazu?«
Das brachte ihn vollends aus dem Konzept. »Hast du mit Diane gesprochen?«
Statt einer Antwort lächelte Lena. Sie kannte Diane Sanders gut. Den Rest der Geschichte herauszufinden, wäre ein Klacks.
Sie fragte: »Was hast du heute Morgen in Scooters Zimmer gemacht?«
»Ich wollte nachsehen, ob’s ihm gut geht.«
»Sicher. Weil ihr so gute Kumpels seid.«
»Er hat ’ne Menge Ice genommen«, sagte Ethan. »Er weiß nicht, wann er aufhören muss.«
»Er ist wohl nicht so beherrscht wie du.«
Ethan ließ sich nicht provozieren. »Du musst mir glauben, Lena. Ich habe mit der Sache nichts zu tun.«
»Hoffentlich hast du dann auch ein gutes Alibi, Ethan, denn Andy Rosen und Ellen Schaffer waren beide Juden, und Tessa Linton war mit einem Schwarzen zusammen – «
»Das kann ich doch nicht wissen – «
»Das spielt keine Rolle, Mann«, erklärte sie. »Du hast eine riesige Zielscheibe auf der Brust nach dem Scheiß, den du mit Jeffrey abgezogen hast. Ich hab dir gesagt, du sollst dich raushalten.«
»Ich habe nichts damit zu tun«, sagte er. »Deswegen bin ich hergezogen. Ich halte mich aus allem raus.«
»Du bist hergezogen, weil deine Freunde, die du in den Knast geschickt hast, wahrscheinlich noch ein Hühnchen mit dir zu rupfen haben.«
»Wir sind quitt«, sagte er bitter. »Ich habe dir gesagt, dass ich sauber bin. Glaubst du, ich hätte nicht dafür bezahlt?«
»Und deine Freundin war der Preis, was?«, sagte sie.
»Und jetzt steigst du mir nach, einer Halbjüdin?« Sie machte eine dramatische Pause. »Oder willst du was über meine lesbische Schwester hören? Oder über ihre Geliebte, die Bibliothekarin?« Sie lachte über seine Reaktion. »Ich frage mich, was deine Leute zu Hause zu all dem sagen würden, Ethan White. «
»Ich heiße Green«, sagte er. »Zeek White ist mein Stiefvater. Mein richtiger Vater hat uns sitzen lassen.« Seine Stimme war gefasst. »Ich bin Ethan Green, Lena. Ethan Green.«
»Du bist mir im Weg, das bist du«, sagte sie. »Beweg dich.«
»Lena«, sagte er. Er klang wirklich verzweifelt. Lena sah ihm in die Augen. Seit ihrer Vergewaltigung wich Lena allen Menschen aus. Jetzt stellte sie fest, dass sie Ethan noch nicht ein einziges Mal richtig angesehen hatte, auch gestern Abend nicht, als sie ihn angefasst hatte. Seine Augen waren blau, und zwar ungewöhnlich hellblau. Sie hatte das Gefühl, wenn sie nah genug herankäme, würde sie darin das Meer sehen.
Er sagte: »Ich bin nicht mehr der Mensch von damals. Du musst mir glauben.«
Sie starrte ihn an. Sie hätte gern gewusst, warum ihm das so wichtig war.
»Lena, zwischen uns ist was Besonderes.«
»Nein, da ist nichts«, sagte sie, doch sie klang weniger überzeugend, als sie wollte.
Er strich ihr das Haar hinter das Ohr und berührte vorsichtig die Schwellung unter ihrem Auge. »Ich wollte dir nie wehtun.«
Sie räusperte sich. »Das hast du aber.«
»Ich verspreche dir – ich verspreche dir, dass es nie wieder vorkommt.«
Sie wollte sagen, dass er sowieso nie mehr nahe genug an sie
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