Grant County 03 - Dreh dich nicht um
rausschmuggelt, braucht er nur einen guten Anwalt, und den würde ihm jeder Pharmakonzern sicher mit Vergnügen stellen.«
»Was hat er denn entdeckt?«
»Ein Antidepressivum.«
Jeffrey dachte an William Dicksons Medizinschrank.
»Davon gibt es doch schon einen Haufen auf dem Markt.«
»Das ist alles streng geheim«, sagte Blake im Flüsterton, obwohl sie allein im Büro waren. »Brian hat den Deckel draufgehalten.« Er schnaubte wieder. »Wahrscheinlich um einen größeren Anteil rauszuschinden, der krumme Hund.«
Jeffrey wartete auf die Antwort auf seine Frage.
»Es ist ein pharmakologischer Cocktail auf Kräuterbasis. Das ist der Vermarktungsgag – die Leute bilden sich ein, das wäre gesund. Brian behauptet, es hätte null Nebenwirkungen, aber das ist Quatsch. Selbst Aspirin hat Nebenwirkungen.«
»Hat sein Sohn es genommen?«
Kevin sah besorgt aus. »Sie haben doch hoffentlich kein Pflaster bei Andy gefunden, oder? Wie diese Nikotinpflaster? So wird es nämlich eingenommen. Über die Haut.«
»Nein«, gab Jeffrey zu.
»Puh.« Kevin wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Das Zeug ist noch nicht so weit, dass man es an Menschen testen könnte, aber Brian war vor ein paar Tagen in Washington, um seine Daten den Oberbossen vorzuführen. Sie wollten ihm gleich an Ort und Stelle einen Scheck ausstellen.« Jetzt flüsterte Kevin wieder. »Ehrlich gesagt, habe ich selbst vor ein paar Jahren Prozac genommen. Ich habe überhaupt keinen Unterschied gemerkt.«
»Was Sie nicht sagen«, sagte Jeffrey.
Kevin beugte sich über den Schläger, als stünde er auf dem Golfplatz und nicht in seinem Büro. »Er hat nicht erwähnt, dass Jill mit ihm gehen würde. Ich frage mich, ob die zwei Probleme haben.«
»Was für eine Art von Problemen meinen Sie?«
Kevin Blake schwang den Schläger in einem großen Bogen, dann sah er aus dem Fenster, als verfolgte er den Ball.
»Kevin?«
»Ach, sie nimmt sich einfach sehr viel frei.« Er drehte sich wieder zu Jeffrey um und stützte sich auf den Schläger. »Seit sie bei uns ist, ist kein Semester vergangen, in dem sie nicht alle ihre Krankentage genommen hätte. Und alle Urlaubstage. Und dazu hat sie sogar noch mehr als einmal unbezahlten Urlaub genommen.«
Jeffrey konnte erraten, weshalb Jill Rosen an manchen Tagen daheim bleiben musste, doch darüber wollte er nicht mit Kevin Blake sprechen.
Kevin sah aus dem Fenster und holte zum nächsten imaginären Schlag aus. »Entweder ist sie so eine Art Hypochonder, oder sie ist allergisch gegen Arbeit.«
Jeffrey zuckte die Schultern und wartete darauf, dass er fortfuhr.
»Sie hat ihr Diplom vor zehn, fünfzehn Jahren gemacht«, sagte Kevin Blake. »Eine dieser Spätentwicklerinnen. Davon gibt es ja jetzt immer mehr. Wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus sind, langweilt sich die Mami. Also belegt sie einen Kurs an der nächsten Uni, und eh man sich’s versieht, hat sie eine Stelle dort.« Er zwinkerte Jeffrey zu. »Nicht, dass wir was gegen die zusätzliche kleine Einnahmequelle hätten. Die weiterführenden Kurse sind seit Jahren das Rückgrat unserer Abendschule.«
»Ich wusste gar nicht, dass so was hier angeboten wird.«
»Jill hat den Magister in Familientherapie an der Mercer University gemacht«, sagte Blake. »Promoviert hat sie in englischer Literatur.«
»Warum hat sie nicht Englisch gelehrt?«
»Wir haben mehr als genug Englisch-Dozenten. Die scheinen hier an den Bäumen zu wachsen. Und kaum sind sie reif, wollen sie eine Festanstellung. Wir brauchen Leute für Naturwissenschaften und Mathematik. Englisch-Dozenten gibt es wie Sand am Meer.«
»Wie hat sie dann den Job in der Beratungsstelle bekommen?«
»Offen gesagt, wir mussten Frauen einstellen wegen der Quote, und als die Stelle einer Beraterin frei wurde, hat sie sich als Therapeutin approbieren lassen. Es geht für beide Seiten auf.« Er runzelte die Stirn. »Das heißt, wenn sie mal zur Arbeit kommt.«
»Und Keller?«
»Den haben wir damals mit offenen Armen aufgenommen.« Kevin öffnete die Arme, um zu zeigen, was er meinte.
»Er kam aus der freien Wirtschaft, wie Sie sicherlich wissen.«
»Nein«, antwortete Jeffrey, »das wusste ich nicht.« Normalerweise gingen Dozenten von den Lehranstalten in die freie Wirtschaft, wo mehr Geld und Ansehen auf sie wartete. Er hatte noch nie von jemand gehört, der den umgekehrten Weg gegangen wäre. Das sagte er auch zu Kevin.
»In den frühen Achtzigern haben wir die Hälfte unserer Mitarbeiter
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