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Grant County 05 - Gottlos

Grant County 05 - Gottlos

Titel: Grant County 05 - Gottlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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antwortete Lena und trat an die Leiche heran. Sie betrachtete das Mädchen einen Moment, dann pfiff sie leise durch die Zähne. Sara beobachtete sie und stellte fest, dass Lena irgendwie verändert wirkte. Sonst strahlte sie immer eine Art unterschwelligen Zorn aus, doch heute wirkte sie irgendwie verletzlich. Ihre Augen waren gerötet, und offensichtlich hatte sie abgenommen, was ihrer ohnehin schmächtigen Figur nicht zugutekam.
    Sara fragte: «Geht es Ihnen gut?»
    Statt zu antworten, zeigte Lena auf die Leiche. «Was ist passiert?»
    Sara legte die Kassette ein. «Jemand hat sie in einer Holzkiste draußen am See lebendig begraben.»
    «O Gott.» Lena schauderte.
    Sara trat auf das Pedal unter dem Tisch, mit dem das Aufnahmegerät betätigt wurde. In das Mikro sagte sie: «Test, Test, Test.»
    «Woher wissen Sie, dass sie noch gelebt hat?», fragte Lena.
    «Sie hat von innen an den Brettern gekratzt», erklärte Sara, während sie das Band zurückspulte. «Jemand hat sie da unten eingesperrt und … Ich weiß es nicht. Jedenfalls hat er sie aus irgendeinem Grund gefangen gehalten.»
    Lena atmete tief ein. «Hat sie deswegen den Arm angewinkelt? Weil sie sich den Weg ins Freie graben wollte?»
    «Ich glaube schon.»
    «O Gott.»
    Die Rückspultaste des Recorders sprang heraus. Schweigend lauschten sie Saras Stimme.
«Test, Test, Test.»
    Nach einem Moment fragte Lena: «Habt ihr schon eine Ahnung, wer sie ist?»
    «Nein.»
    «Ist sie erstickt?»
    Sara hielt inne und erzählte Lena, was passiert war. Ausdruckslos hörte Lena zu. Sara wusste, dass die Polizistin in ihrer Ausbildung gelernt hatte, keine Reaktionen zu zeigen, dennoch war es irritierend, dass ein so grausames Verbrechen Lena scheinbar unbeteiligt ließ.
    Als Sara fertig war, flüsterte Lena nur: «Scheiße.»
    «Ja», stimmte Sara zu. Sie warf einen Blick auf die Uhr und fragte sich, wo Carlos so lange blieb. Im gleichen Moment kam er zusammen mit Jeffrey herein.
    «Lena», sagte Jeffrey. «Danke, dass du gekommen bist.»
    «Kein Problem», antwortete sie achselzuckend.
    Jeffrey sah Lena genauer an. «Geht es dir gut?»
    Unwillkürlich warf Lena Sara einen merkwürdig schuldbewussten Blick zu. Sie sagte: «Mir geht’s gut.» Dann zeigte sie auf die Tote. «Habt ihr schon einen Namen?»
    Jeffrey biss die Zähne zusammen. Sie hätte ihm keine schlimmere Frage stellen können. «Nein», sagte er knapp.
    Sara zeigte zur Spüle. «Du musst deine Hand säubern.»
    «Habe ich schon.»
    «Wasch sie nochmal», beharrte sie und schob ihn zur Spüle, wo sie das Wasser aufdrehte. «Da ist noch jede Menge Dreck in der Wunde.»
    Er zischte durch die Zähne, als sie seine Hand unter das heiße Wasser hielt. Die Wunde hätte genäht werden müssen, aber inzwischen war zu viel Zeit vergangen, das Infektionsrisiko war zu hoch. Sara würde den Schnitt klammern und das Beste hoffen. «Ich werde dir ein Antibiotikum verschreiben.»
    «Danke.» Er sah sie verärgert an, während sie sich ein Paar Gummihandschuhe überzog, und sie erwiderte seinen Blick ebenso verstimmt, als sie seine Hand verband. Doch sie würden ihren Streit bestimmt nicht vor Publikum ausfechten.
    «Dr. Linton?» Carlos stand am Lichtkasten und sah sich die Röntgenbilder des Opfers an. Sara machte Jeffreys Verband fertig und ging zu ihm. Eine Reihe verschiedener Aufnahmen waren vor den Leuchtmitteln aufgehängt, doch ihr Blick fiel sofort auf die Bilder des Unterleibs.
    Carlos sagte: «Ich glaube, die muss ich nochmal machen. Irgendwie sind sie verschwommen.»
    Der Röntgenapparat war älter als Sara, dennoch erkannte sie sofort, dass mit den Abzügen alles in Ordnung war. «Nein», flüsterte sie, während ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief.
    Jeffrey, der schon wieder an dem neuen Verband zupfte, stellte sich neben sie. «Was ist?»
    «Sie war schwanger.»
    «Schwanger?», wiederholte Lena.
    Sara betrachtete sorgsam das Röntgenbild. Die Aufgabe, die vor ihr lag, wurde immer schwerer. Sie hasste es, Kinder zu obduzieren. Und das hier war das jüngste Opfer, das sie je in der Leichenhalle gehabt hatte.
    Jeffrey fragte: «Bist du dir sicher?»
    «Hier ist der Kopf zu erkennen», sagte sie und fuhr mit dem Finger über die Aufnahme. «Beine, Arme, Rumpf …»
    Lena kam dazu, um ebenfalls einen genaueren Blick darauf zu werfen. Leise fragte sie: «Wie weit war sie?»
    «Ich weiß es nicht», antwortete Sara. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Sie würde diesen Embryo in der Hand halten, ihn

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