Grappa 02 - Grappas Treibjagd
Fotoserien auf Video-Filme um. In den letzten Monaten hat Beate einen festen »Freier«, einen Mann namens »Onkel Herbert«, der den Eltern eine monatliche Pauschale zahlt. Dieser »Onkel« entjungfert das Mädchen.
Beates Lehrerin schließlich gab der Polizei und dem Jugendamt den richtigen Tipp. Ihr war aufgefallen, dass die Achtjährige über ein ungewöhnliches Repertoire von Ausdrücken aus dem Sexual-Bereich verfügte. »Schwanz« und »ficken« waren noch die harmloseren Begriffe, die das Mädchen beherrschte.
Beim Schwimmunterricht fallen dem Sportlehrer Verletzungen an den Oberschenkeln des Kindes auf. Die Polizei ermittelt. Die Eltern werden vernommen. Sie leugnen. Da Beate gegenüber der Polizei ebenfalls keine Angaben macht, droht die Sache im Sand zu verlaufen.
Bei der Beschlagnahme von Filmen in einem Bierstädter Porno-Laden jedoch – einige Wochen später – wird Beate als Hauptdarstellerin dieser Machwerke erkannt, der ermittelnde Beamte des Sittendezernates ist zufällig derselbe, der Beate vernommen hat. Außerdem findet die Polizei Fotoserien, auf denen Beate Anal- und Oralverkehr mit »Kunden« ausführen muss.
Das Mädchen wird nun endlich vom Jugendamt der Stadt in einem Heim untergebracht und gynäkologisch untersucht. Der Arzt stellt vernarbte und frische Risse im Genitalbereich und Hämatome an den Oberschenkeln fest. Die Eltern bekommen das Sorgerecht durch das Vormundschaftsgericht entzogen.
Laura wurde als Vormund eingesetzt. Sie hatte das Kind immer wieder im Heim besucht, entnahm ich den Besuchs-Protokollen, die in der Akte lagen. Auch zwei Tage vor ihrer Ermordung war sie noch zu diesem Kinderheim mit dem Namen »Haus Sonnenschein« gefahren. Die Protokollnotiz dieses letzten Besuches bestand leider nur aus hastig hingeworfenen Worten, die Laura mit der Hand geschrieben hatte. Die anderen Berichte waren fein säuberlich abgetippt. Aus ihnen ging hervor, dass Laura das Kind immer wieder nach »Onkel Herbert« ausgefragt hatte. Sie hatte wie eine Polizistin ermittelt und nicht wie eine Psychologin. So, als ob sie einen konkreten Verdacht gehabt hätte, wer dieser Mann sein könnte. Ich kramte das Lolita-Heft hervor und verglich die Angaben, die »Onkel Herbert« über sich selbst in der Anzeige gemacht hatte, mit den Schilderungen des Mädchens.
Er lebte in Bierstadt oder in der Nähe, war etwa 50 Jahre alt, gepflegt und offenbar wohlhabend. Beruflich angespannt – so hatte er formuliert.
Sein Anfahrtsweg zum »Tatort« schien nicht lang zu sein, denn häufig kündigte er seinen Besuch telefonisch an und war wenig später da, um über das Kind herzufallen.
Beate schilderte ihn als »groß«, was nicht zutreffen musste, denn für Kinder sind Erwachsene immer groß. Er hatte einen dunklen Bart, der auch angeklebt sein konnte. Er hatte das Kind mehrmals geschlagen, es dann aber wieder mit Geschenken überhäuft und von ewiger Liebe gesprochen.
Interessant war, dass »Onkel Herbert« einmal im Jahr mehrere Wochen nicht auftauchte. Er machte nämlich Urlaub, und zwar in Asien. Beate hatte von einem Mädchen namens »Rosi aus Manila« berichtet.
Ich blätterte weiter. Da lagen Zeichnungen, die Beate mit bunten Stiften gemalt hatte, die für Therapeuten bestimmt sehr aufschlussreich waren, mir aber auf den ersten Blick wenig sagten. Mir fiel nur auf, dass das Kind grelles Rot und tiefes Schwarz bevorzugte.
Das waren die Informationen. Eigentlich ganz einfach. Ich musste nur einen gepflegten Herrn mittleren Alters, mit oder ohne Bart, vermutlich Unternehmer, finden, der wenig Zeit hatte, dafür aber bereit war, für sein außergewöhnliches »Hobby« viel Geld auszugeben. Dieser Mann würde mir dann sicherlich seinen Reisepass zeigen, und ich würde viele schöne Stempel finden für Ein- und Ausreisen in die und aus den Philippinen. Dann würde er mir zum krönenden Abschluss meiner Ermittlungen gestehen, dass ihm meine Freundin Laura auf der Spur war und er sie deshalb umgebracht hatte.
Ich war zu müde, um weiterzudenken. Onkel Herbert zu finden, das würde sich auf jeden Fall lohnen. Auch wenn sich herausstellen würde, dass er nicht Lauras Mörder war … Einen honorigen Bierstädter Bürger zu entlarven, der im Verborgenen Kindern ihre unbeschwerte Kindheit stahl und sie für ihr ganzes Leben zeichnete … eine interessante Aufgabe, auch unter dem Gesichtspunkt einer journalistischen Verwertung.
Ich hatte vermutlich zwei Fälle am Hals. Den Mord und die Kinderschändung.
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