Grappa 03 - Grappa macht Theater
wirklich im Blatt erscheint. Und dein Name steht drüber, dann kannst du dich in deinem linksintellektuellen Bekanntenkreis nicht mehr sehen lassen. Du hast die Wahl! Mitbestimmung oder Leibeigenschaft?«
»Geizkragen!«
»Also?«
»1500 Schleifen!«
»1200. Mehr ist nicht drin.«
»Okay. Weil du es bist!«
»Ich glaube, wir müssen dich wieder fest anstellen, da kamst du uns billiger!«
»Das fehlte noch. Kleingärtnerleid und Frauenunion, Töpfermarkt und Ortsversammlung. Das erste Baby im Neuen Jahr und der Giraffennachwuchs im Zoo. No, Sir!!«
Ein schwarzer Kater und die Tochter des Zeus
Das Haus im Bierstädter Norden stand unmittelbar vor seinem Zusammenbruch. Die Tür war nicht verschlossen. Ich drückte sie auf und blickte geradewegs in einen Hinterhof. Erst mal die Lage peilen, dachte ich und ging durch in den Hof.
Ein verwildertes Fleckchen Land empfing mich, hoch umzäunt von baufälligen Gebäuden. Ein paar Geranien bettelten um Wasser, und ein dicker, schwarzer Kater sonnte sich in gebührendem Abstand vom Boden auf einer Backsteinmauer.
»Hallo, Kater«, begrüßte ich ihn artig, »hast du Gallo Pinto gerade gefressen, oder bist du es selbst?« Seine grünen Augen sprühten Verachtung, er stand auf, lief mit hochgestelltem Schwanz in die Gegenrichtung und zeigte mir seinen Hintern.
»Du mich auch!«, rief ich ihm hinterher.
»Redaktionskollektiv Melpomene« stand auf dem verblichenen Schild vor der Tür im ersten Stock. Ich versuchte, die Tür aufzudrücken, doch sie war natürlich verschlossen. Immerhin wusste ich schon, dass die Zeitschrift von einem Kollektiv herausgegeben wurde. Einbruch war leider keine meiner Lieblingsbeschäftigungen, weil nervenaufreibend und etwas verboten.
Ich trat auf die Straße zurück und betrachtete das Klingelbrett. Ausländische Namen türkischer und polnischer Provenienz.
Ich überlegte gerade, welchen Hausbewohner ich mit meinen Fragen nerven sollte, als mir ein Mann entgegenschlurfte.
»Guten Tag«, begrüßte ich ihn, »ich wollte zu den Zeitungsleuten im ersten Stock. Bin hierher bestellt worden, aber es macht niemand auf! Wann kommen die denn immer?«
»Weiß nicht«, brabbelte der Alte, »keine festen Zeiten haben die. Aber ich hab eine Telefonnummer, falls jemand nachfragt.«
»Kann ich die haben?«
»Moment.« Er ging in seine Bude zurück und kam nach einer Weile mit einem abgerissenen Zeitungsblattrand zurück, auf den er eine sechsstellige Ziffer gekritzelt hatte.
Meine Neugier war so groß, dass ich die nächste Telefonzelle ansteuerte. Ich wählte. Das Freizeichen ging einige Male durch die Leitung, dann sagte eine weibliche Stimme: »Hallo?«
»Ich suche jemanden von der Zeitschrift ›Melpomene‹«, sagte ich, »bin ich da bei Ihnen richtig?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Der Name ›Melpomene‹ sagt mir gar nichts. Sie müssen sich verwählt haben!« Sie legte auf.
Merkwürdig! Die Frau wusste genau, wie sich die Tochter des Zeus, die Muse »Melpomene« aussprach. Ich hatte den Namen absichtlich auf der falschen Silbe betont. Ich schlug im Telefonbuch unter dem Buchstaben »V« nach. Von Prätorius – Anneliese. Die Telefonnummer stimmte mit der auf dem Zettel überein.
Auch Studenten wollen ihren Spaß haben
»Ein Studentenulk«, behauptete sie, »nur ein großer Spaß, um den feinsinnigen Nello von Prätorius lächerlich zu machen, ihn in seiner ganzen Überheblichkeit vorzuführen.«
»Wer hat die Kritiken geschrieben? Wer ist denn nur dieser verdammte Gallo Pinto?«
Anneliese von Prätorius hatte ihr Opferhaltung abgelegt und wirkte plötzlich wie eine Frau, die ihre Pläne überlegt durchführt.
In dieser miesen Schmierentragödie spielt aber auch jeder eine Rolle, dachte ich bitter, alle lügen und betrügen, sind nicht das, was sie vorgeben zu sein.
Wenigstens ich wollte möglichst ehrlich bleiben, auch wenn die Nummer mit dem Arzt-Trick und dem weißen Kittel hart am Rande gewesen war.
»Wer ist dieser Gallo? Nun reden Sie schon!«
»Mein Sohn Aristide. Sie wissen doch, dass er Theaterwissenschaft studiert. Nellos Häme brachte ihn auf die Idee, es ihm heimzuzahlen. Mit der eigenen Waffe, dem Wort. Seine Kommilitonen haben mitgeholfen.«
»Eine Studenten-Gruppe hat Bierstadt jahrelang zum Narren gehalten?«
»So ist es. Es gibt in der theaterwissenschaftlichen Fakultät eine Gruppe, die sich ›Autonome Kulturarbeiter‹ nennt. Aristide ist dort Mitglied, und so wurde aus einer Idee ein richtiges
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