Grappa 03 - Grappa macht Theater
Freunde keine Mörder sind.«
»Und wenn es nicht klappt?«
»Ein bisschen Risiko ist immer dabei. Auch für mich. Ich kann froh sein, wenn mich die Bullen nicht wegen Vertuschung einer Straftat drankriegen, wenn sie meine Story lesen. Denn eigentlich müsste ich heute schon zur Polizei. Also was ist nun, wäre das ein Weg für Sie und Ihre Komplizen?«
»Einverstanden.«
»Sehr schlau. Eine andere Wahl hätte es für Sie sowieso nicht gegeben. Schreiben Sie mir jetzt die Namen der anderen drei Entführer auf diesen Zettel. Kaufen Sie sich übermorgen ein ›Tageblatt‹, und seien Sie nett zur Polizei. Die Beamten können schließlich nichts dafür, dass sie die Vertreter des Gewaltmonopols des kapitalistischen Staates sind.«
Wild leben, reich werden und alt sterben
»Hallo, Peter«, trompetete ich fröhlich in seine Richtung, »du und deine Zeitung – ihr seid um 1200 Mäuse ärmer!«
»Soll das heißen, dass du den Entführer kennst?«
»So ist es. Ich schreib jetzt die Story von der feierlichen Grablegung des großen Sohnes unserer Stadt. Und gleich morgen folgt die Geschichte des kleinen Sohnes.«
»Kleiner Sohn? Was soll das heißen?«
»Lass dich überraschen. Außerdem handelt es sich um vier Entführer, die allerdings nicht die Mörder sind.«
»Bei dir ist immer alles so kompliziert! Kleiner Sohn, großer Sohn, vier Entführer, aber kein Mörder. Wofür willst du eigentlich die 1200 Mark haben?«
»Geizkragen. Unser Deal bezog sich auf die Kidnapper. Der Mörder kostet extra.«
»Du geldgeiles Biest! Sparst du auf eine Immobilie?«
»Du kennst doch meine Philosophie: Wild leben, dabei reich werden und alt sterben.«
»Die ersten beiden Dinge hast du ja schon geschafft!«
»Schön wär's. Wirf mal ein Blick auf mein Konto. Zu meinem Freundeskreis gehören zurzeit jede Menge roter Zahlen.«
»Dann rezensiere doch zur Abwechslung mal wieder eine Runde Frauenkrimis. Damit du nicht immer nur aus mir das Geld herauspresst.«
»Die Frauenkrimis sind Schnee von gestern. Ich bin schon bei den Lesbenkrimis. Zurzeit lese ich die Geschichte einer weltberühmten Autorin aus der Ukraine. Sie schildert das Schicksal einer hemmungslosen Handarbeitslehrerin aus Belorussland, die von einem psychopathischen Killer verfolgt wird. Ich leihe ihn dir, wenn ich fertig bin.«
»Bitte verschone mich! Bevor du völlig verdorben wirst durch diese Schundliteratur, hau die Grablegung von heute früh ins System. Reichen 120 Zeilen?«
»Dicke. Die Rede war nichts als steifer Pomp. Beutelmoser hat geschwitzt, und Beate Elsermann hat nur so viele Tränen vergossen, dass ihr Make-up nicht verschwamm. Und dann hat es noch junge Hunde geregnet. Lass uns das Foto von der Trauergemeinde sechsspaltig 80 mm hoch aufsetzen. Du weißt ja, große Bilder sind schnell geschrieben!«
Nellos Witwe redet von einem Jahrhundertprojekt
Nach meinem Bericht über die Entführung wurden Aristide von Prätorius und seine drei Freunde, alle Mitglieder der Gruppe »Autonome Kulturarbeiter«, festgenommen. Der Staatsanwalt beantragte nicht nur Haftbefehl wegen Entführung, sondern auch wegen Mordes, der Haftrichter schloss sich seiner Ansicht an. Die Sache war todernst für die vier grünen Jungs, die sich nur mal hatten einen Spaß machen wollen.
Ich schaute noch am selben Tag bei der leidgeprüften Mutter vorbei. Vielleicht war die Verbindung zu ihrem Ex-Mann doch intensiver gewesen, als sie es bisher zugegeben hatte.
Anneliese von Prätorius hatte ein verweintes Gesicht und schien sich wie eine Schnecke in ihr Haus zurückgezogen zu haben. Die Räume waren abgedunkelt. Sie fand dennoch die Kaffeemaschine.
Das schwarze Gebräu legte sich nicht nur belebend auf mein Gemüt. Auch die Witwe wurde munterer. Sie war wohl froh, Gesellschaft zu haben.
»Berichten Sie mir alles, was Ihnen Ihr Mann in den letzten Wochen erzählt hat. Denken Sie nach!«
»Wir haben nur telefoniert. Meistens ging es um Geld. Oder er rief mich an, um zu fragen, ob ich seine Rezensionen gelesen habe. Er hatte immer noch den Wunsch, bewundert zu werden wie ein kleines Kind.«
»Und? Haben Sie ihn bewundert?«
»Natürlich. Es war ein Spiel. Ein mieses Spiel. Danach hat er seinen Unterhalt überwiesen und manchmal sogar ein Scheinchen draufgelegt.«
»Hat er über Pläne gesprochen? Über irgendwelche Projekte?«
Sie gab sich Mühe und marterte ihr Hirn. Die Angst um ihren Sohn machte sie kooperativ.
»Vor einigen Monaten rief er mich mitten in der Nacht an«,
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