Grappa 03 - Grappa macht Theater
Elsermanns noblem Penthouse parkte und ein Polizeiauto davorstand. Ich dachte mir nichts Böses, ging in den Lift, die Hydraulik brachte mich nach oben. Die Tür zu ihrer Wohnung war geöffnet.
Ich trat ein und sah die Herren von der Spurensicherung, die mir bei Kapitalverbrechen häufig über den Weg liefen. Da wusste ich, was passiert war: Beate Elsermann hatte ungebetenen Besuch gehabt, und es war ihr letzter gewesen.
Dann sah ich sie. Das schöne Kind lag hingestreckt auf ihrem Bett. Die hässlichen Würgemale am schlanken Hals verschandelten ihr Outfit kaum, die angewinkelten Arme ahmten eine elegante Wurfbewegung nach. Lediglich die geöffneten Augen und die kleine rosa Zunge, die zwischen den Raubtierzahnreihen eingeklemmt schien, störten das harmonische Bild einer schönen Frau in ihren Kissen.
»Hübsch, was?«, meinte einer der Spurensucher, als er mich erblickte.
»Geht so, lebend wäre sie mir lieber!«
»Mir auch, Frau Grappa!«, sagte er, schnalzte mit der Zunge und grinste. Dann ließ er sich auf den Flickenteppich vor ihrem Diwan sinken und krabbelte in den Nähten. Mieser Job, dachte ich, die Rückstände anderer Leute einsammeln zu müssen.
Der Polizeiarzt rückte mit seinem Koffer an und packte ihn umständlich aus. Ich hielt mich im Hintergrund und versuchte, an die Kamera in meinem Beutel heranzukommen. Die mussten ja nicht unbedingt wissen, dass ich neuerdings auch Fotos machte, um nicht völlig zu verarmen.
»Noch keine acht Stunden«, sagte der Doktor, »erwürgt von kräftigen Händen. Ein Könner! Einmal gepackt und gleich zugedrückt, bis zum Exitus. Kein Sexualdelikt. Macht die Fotos, dann könnt ihr sie einpacken, den Rest macht der Pathologe.«
Der Polizeifotograf schlurfte heran und blitzte. Ich nutzte die Gelegenheit und blitzte auch. Ein Aufwasch.
Der Einsatzleiter kam ins Zimmer. Ich versteckte die Kamera unter meiner Jacke. Er tat so, als hätte er nichts bemerkt. Bei seinem letzten Flop hatte ich ihn pressemäßig geschont, das zahlte sich jetzt aus.
»Liebe Frau Grappa!«, sagte er. »Was führt Sie hierher? Der Polizeifunk?«
»Diesmal nicht, Herr Schmidt«, flötete ich, »schade, dass wir uns immer bei solch unerquicklichen Anlässen sehen. Heute war's ein Termin, den ich bei der Dame hatte. Wir wollten gemeinsam zu einem Anwalt.«
Ich erzählte ihm die Story in einer bereinigten und leicht geschönten Kurzfassung. Er hörte aufmerksam zu.
»Wer hat es getan?«, wollte ich dann wissen.
»Gut gefragt, Frau Grappa. Die Frage hätte ich nicht präziser stellen können. Es war vergangene Nacht, es war ein kräftiger Mann, und sie hat ihn freiwillig hereingelassen. Mehr wissen wir noch nicht.«
»Haben die Nachbarn was gesehen?«
»In dieser Nobelherberge? Die sind so vornehm, dass sie sich vom eigenen Schlüsselgeräusch in der Tür belästigt fühlen. Nein, niemand hat etwas bemerkt. In der Wohnung selbst gibt es ein paar Fingerabdrücke, doch die müssen erst noch überprüft werden.«
»Haben Sie überhaupt keine Spur?«
»Eine kleine. Meine Kollegen sind gerade zu einem Herrn Austerlitz unterwegs, dem Freund der Toten. Mal sehen, wo er die gestrige Nacht verbracht hat.«
»Vergessen Sie ihn! Er war nur einer von vielen Freunden«, korrigierte ich, »die Dame hatte ein großes geldgieriges Herz. Nahm alles mit, was zu kriegen war. Es kann auch ein anderer gewesen sein. Haben Sie überhaupt keinen Anhaltspunkt für einen späten Besucher?«
»Austerlitz ist unser Mann«, sagte Schmidt. »Erst die Geiselnahme mit Waffengewalt im Stadttheater und nun ein Mord. Damals ging es ja auch um diese Dame hier.« Er sah die Lösung des Falles in greifbarer Nähe.
»Viel Glück, Herr Hauptkommissar«, wünschte ich, »und wundern Sie sich nicht, wenn die Sache ganz anders liegt. Austerlitz ist nicht Ihr Mann, die Sache liegt komplizierter.«
Ich sah, wie der Körper an Armen und Beinen gepackt und in den Blechsarg gelegt wurde. Aus der Traum vom Traumschiff, dachte ich, und Mitleid strömte in mein Herz, Sascha Hehn wird ohne dich schippern gehen müssen, Mausi!
Die Kripoleute schafften den Sarg aus der Wohnung. Ich schaute hinterher und zweifelte für zwei Sekunden am Sinn des Lebens.
Aber etwas Gutes hatte die Sache doch: der hübsche Mann mit den glühenden Brikettaugen war nun völlig auf mich angewiesen. Niemand glaubte an seine Unschuld, noch nicht einmal unsere gutherzige Polizei.
Henna, Gurke, Quark und Tod machen mir die Wangen rot
Boris Austerlitz
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