Grappa 03 - Grappa macht Theater
wanderte einige Stunden später ins Untersuchungsgefängnis. Er hatte kein Alibi für die Nacht der Tat, weil er überhaupt kein Wort sprach. Der Schock hatte ihn bewegungsunfähig gemacht. Ich verschob den Plan, ihn zu retten, denn ich hatte einen Besuch bei Lazarus Beutelmoser im Auge. Der war zurzeit wichtiger für mich.
Doch noch wichtiger war, dass ich mich äußerlich auf den neuesten Stand brachte. Ich töpferte mir ein Pfund Henna aufs Haar, rührte mir eine Gesichtsmaske aus Gurkenscheiben, Eigelb und Sahnequark an und legte mich aufs Sofa.
Das Buch in meiner Hand trug den Titel »Der Tod hat blaue Augen«. Ich musste es lesen und besprechen. Der Hochstapler, ein großer schöner Mann in engen Reithosen und weißem Hemd mit eng anliegender Weste, tigerte im schottischen Hochmoor von Herrenhaus zu Herrenhaus. Die ganze Sache spielte vor etwa 200 Jahren. Alle Menschen, die in dem Schmöker vorkamen, waren schön, oder sie hatten wenigstens Geld.
»Du bist meine Liebste und meine Frau – für immer und ewig!« Das waren die letzten Sätze des Romantik-Thrillers. Ich hatte es geschafft, verdammte das Werk in Grund und Boden und hatte wieder 300 Mark für mein rot gefärbtes Konto erarbeitet.
Inzwischen war die Hennapaste à point. Auch die Gesichtsmaske durfte lange genug draufgewesen sein. Der Quark hatte sich mit dem Eigelb zu einer klebrigen Masse verbunden, die bereits erste Risse zeigte. Meine Hautoberfläche sah aus wie ein indisches Flussbett nach einer langen Trockenperiode.
Meine Katze Miou kam um die Ecke, erblickte mich, zuckte zusammen und verkroch sich geschockt unter dem Bett.
Ich spachtelte mich ab und rief bei Beutelmoser an.
»Wissen Sie schon, dass Ihre Eve das Zeitliche gesegnet hat?«, fragte ich. Mein Ton war richtig munter, ich wollte ihn nicht erschrecken.
»Was meinen Sie?« Er war schwer von Begriff oder tat zumindest so.
»Beate Elsermann hatte vergangene Nacht Besuch. Ihr Gast hat sie erwürgt.«
Pause. »Wie schrecklich«, murmelte er, »das ist ja furchtbar. Weiß man, wer es getan hat?«
»Die Polizei tappt noch im Dunkeln. Das heißt aber nicht viel. Die Leiche ist erst vor wenigen Stunden gefunden worden.«
»Dieser junge hoffnungsvolle Mensch!«
Mir war, als sprühe er seine Speichelfontänen durch die Telefonleitung.
»Dafür, dass Beate Elsermann Ihre Geliebte und Ihre Muse war, reagieren Sie erstaunlich gefasst, Herr Beutelmoser!«
»Muss ich meinen Schmerz aller Welt kundtun?«
»Sie müssen gar nichts. Hat Frau Elsermann Sie gestern Abend noch angerufen?«
Sein »Nein« kam zu prompt, um wahr zu sein.
»Schade«, sagte ich, »Frau Elsermann hatte Beweise, dass nicht Sie der Autor sind, sondern Nello diesen Adam-und-Eve-Roman geschrieben hat. Prima für Sie, dass sie tot ist, oder?«
Er legte auf. Irgendwie hatte ich ihn geärgert.
Ich föhnte mir das Haar trocken und machte mich ausgehfertig. In der Redaktion schrieb ich die Story über Elsermanns Tod. Das Foto setzte ich vierspaltig unten auf. Eigentlich brachten wir ja keine Fotos von Leichen. Doch die Sitten waren seit Barschels Beau-Rivage-Abenteuer lockerer geworden.
Fünf Männer und keine Frau
Ich bekam keine Besuchserlaubnis für Boris Austerlitz. Ich wandte mich an seinen Anwalt. Noch immer wusste ich nicht, was er mir vor zwei Tagen hatte mitteilen wollen.
Es dauerte wiederum ganze zwei Tage, bis mir sein Advokat die Nachricht auf den Telefonanrufbeantworter sprach. Die Botschaft war schlicht und eindeutig: »Kümmern Sie sich um die ›Loge‹!«
Ich überlegte. Diese Spur hatte ich in den letzten Tagen vernachlässigt. Austerlitz hatte recht, hier musste ich weitermachen.
Ich wählte die Telefonnummer des Kulturdezernenten.
»Hallo, Herr Höfnagel!«, flötete ich. »Wie geht es Ihnen? Lange nichts mehr von Ihnen gesehen und gehört.«
»Schenken Sie sich die Höflichkeitsfloskeln. Was gibt es?«
»Erinnern Sie sich an unser Gespräch nach Nellos Beerdigung? Sie haben damals die ›Loge‹ erwähnt. Darüber muss ich noch einmal mit Ihnen reden. Können wir uns treffen?«
»Das geht schlecht. Ich habe in zwei Stunden Kulturausschusssitzung. Dort beginnt die erste Runde um den Posten des Generalintendanten.«
»Ach? Ist Feudel denn noch im Rennen?«
»Und wie! Er ist der Favorit der Mehrheitsfraktion. Besonders dem Ausschussvorsitzenden ist unser Nachtwächter ans Herz gewachsen.«
»Und? Können Sie die Sache verhindern?«
»Ich versuch's. Andere Bewerber interessieren sich auch
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