Grappa 03 - Grappa macht Theater
der honorige Bierstädter Unternehmer Feudel, der große Kultursponsor und das Lieblingskind der regierenden Politiker, seit Jahren kräftig Steuern hinterzogen hat.«
»Ach ja? Machen wir das nicht alle mal?« Ich war enttäuscht. Nur Steuerhinterziehung? Keine Waffengeschäfte mit den Arabern, kein Vertrieb von Sado-Maso-Pornos, noch nicht mal Kokain-Deals. Feudels Vergehen waren genauso farblos wie er selbst.
Pistor schob sich schmatzend das dritte Brötchen rein. Die Hosenträger ächzten.
»Freut mich, dass es Ihnen schmeckt!«, sagte ich spöttisch. »Was soll ich mit den Unterlagen?«
»Welche Chancen hat ein Mann auf einen öffentlichen Posten«, fragte Pistor, »der bei der Steuer mit roten Zahlen arbeitet und bei den Banken mit schwarzen? Der den Staat bescheißt, Leute ohne Steuerkarte arbeiten lässt, der Asylbewerber und Flüchtlinge für fünf Mark Stundenlohn beschäftigt. Feudel zahlt kaum Steuern, kriegt aber jeden Kredit, den er will. Alle vertrauen ihm blind.«
»Und? Wo ist die Pointe?«
»Doppelte Buchführung.«
»Und warum macht er das?«
»Feudel hat es innerhalb weniger Jahre zum Millionär gebracht.«
»Das weiß Bierstadt. Also warum?«
»Geldgier. Teure Hobbys. Schulden. Er hat auf einer Insel in der Karibik eine Ferienanlage mit 1000 Betten gebaut, die pleite gegangen ist. Hat sich einen eigenen Fernsehsender in Amerika zugelegt, der ihm jedes Jahr Millionen aus der Tasche zieht. Und er sammelt alte Autos, von denen das Stück 200.000 Mark kostet.«
»Steuerhinterziehung also. Und das hier sind die Beweise? Schön. Ich lasse das prüfen. Wenn die Steuerhinterziehung erwiesen ist, reicht es, um ihn zu Fall zu bringen.«
Es klang freudlos, was ich sagte. So hatte ich mir die Entlarvung Feudels nicht vorgestellt. Wenn er ein Steuertrickser war, dann setzte er »Putzi« bestimmt als »außergewöhnliche Belastung« oder als »Werbungskosten« ab.
»Woher haben Sie die Unterlagen?«, wollte ich wissen.
»Von Nello von Prätorius. Er hat sie mir anvertraut, weil er Angst hatte, dass Feudel seinen Wachhund vorbeischickt, um die Sachen aus ihm rauszuprügeln.«
»Und woher hatte Nello sie?«
Pistor lächelte. »Von Beate Elsermann natürlich. Sie hatte mal eine Affäre mit Feudels Buchhalter.«
»Mit dem auch? Heißt der vielleicht Lotterbeck?«
»Nein. Wieso? Wer soll das sein?«
»Der Name steht als Gründungsmitglied der ›Loge‹ im Vereinsregister. Doch der Kerl ist mir noch nicht über den Weg gelaufen. Vergessen Sie's! Erzählen Sie weiter!«
»Nello und Beate haben Feudel zwei oder drei Jahre erpresst. So hat sie auch das Engagement bei den Bühnen bekommen. Schauspielerin ist sie nie gewesen, Feudel hat Privatstunden für sie bezahlen müssen, damit die Dame wenigstens ein bisschen sprechen lernt.«
»Und warum tun Sie das alles, Herr Pistor? Was haben Sie davon, wenn Feudel fällt?«
Der Kammerschauspieler rückte seinen Bauch zurecht, fasste mit den Händen die Hosenträger und ließ sie schnacken. Dann sagte er heiter: »Ganz einfach. Weil ich Generalintendant werden will!«
Wer zündet die Lunte an?
Jansen übergab das Material an einen Steuerberater zwecks Überprüfung.
»Wann wollen wir die Bombe platzen lassen?«, fragte ich.
»Am Tag nach der Ratssitzung.«
»Das geht nicht. Dann ist Feudel für sechs Jahre gewählt!«
»Da hast du recht. Das wollen wir Bierstadt doch nicht antun!«
»Ich habe eine Idee. Aber dazu brauche ich Höfnagel.«
Er verzog das Gesicht, denn er mochte den Kulturdezernenten nicht. »Dann müsstest du ihn ja einweihen! Bist du sicher, dass er nicht sofort zur Mehrheitsfraktion rennt und plaudert?«
»Kann ich mir nicht denken.«
»Maria! Du bist zu vertrauensselig! Wenn dein neuer Duz-Freund quatscht und die Fraktion Feudel vor der Sitzung fallen lässt, bringst du dich selbst um eine tolle Story! Aber das Risiko musst du abwägen! Was also schlägst du vor?«
»Wir müssen die Geschichte direkt in der Ratssitzung bekanntmachen! Nur dann ist der Überraschungseffekt gegeben. Höfnagel ist gegen Feudel. Bei der Personaldebatte wirft Höfnagel unser Material in die Arena. Dann kriegen's alle mit und müssen sofort reagieren.«
»So könnte es klappen«, stimmte Jansen zu, »doch wenn vorher etwas durchsickert, ist die Story im Eimer!«
Was wären wir ohne unsere Depressionen?
»Warum hast du als Kulturdezernent eigentlich so wenig Einfluss auf Personalentscheidungen in Bierstadt?«
»Die Fraktion bestimmt die Besetzung
Weitere Kostenlose Bücher