Grappa 03 - Grappa macht Theater
inspiriert, die Geschichte einer ungewöhnlichen Liebe aufzuschreiben. Vielleicht ist es das letzte große Werk in meinem Leben!«
»Hier sitzt der Sohn Ihres Freundes Nello von Prätorius«, sagte ich und deutete mit der Hand auf meinen Nachbarn, »Aristide von Prätorius. Er ist der Sohn des ermordeten Kulturjournalisten. Herr von Prätorius junior hat Ihnen etwas Interessantes mitzuteilen.«
Seine Stimme war jung, klar und sehr bestimmt, als er sagte: »Das Buch, das heute hier vorgestellt wird, hat Herr Beutelmoser meinem Vater gestohlen. Nicht Herr Beutelmoser, sondern mein Vater ist der Autor dieses Werkes!«
Pause. Der Verleger schaute amüsiert auf den schmalen Jungen. Irgendetwas Kraftvolles ging von dem jungen Prätorius aus. Ich merkte instinktiv, dass er den richtigen Ton getroffen hatte und dass man ihm glaubte.
»Können Sie das beweisen?«, fragte der Literaturkritiker einer konservativen Tageszeitung, der bisher noch kein Wort verloren hatte.
»Aber natürlich! Ich habe das Manuskript, das mir mein Vater vor seinem Tod überlassen hat, mitgebracht. Hier ist es!«
Die flache Hand klatschte auf den Papierhaufen. Alle blickten gebannt auf die losen Blätter.
Beutelmoser war blass geworden. »Eine ungeheuerliche Beschuldigung!«, schrie er. »Ich werde Sie wegen Rufmordes verklagen!«
Ich wandte mich an den Verleger. »Wann hat Ihnen Herr Beutelmoser das Manuskript angeboten?«
Er überlegte und sagte dann etwas von »vor einigen Wochen«.
»Ich habe hier eine schriftliche Aussage des Lektors des Strohwolt-Verlages«, fuhr ich fort, »Nello von Prätorius hat ihm sein Manuskript vor sechs Monaten zugeschickt. Schauen Sie sich die Übereinstimmungen im Text an!«
Ich verteilte Kopien mit Textauszügen, die ich mitgebracht hatte. Ein Rascheln und Raunen ging durch den Raum. Jetzt war Aristide wieder an der Reihe: »Ich verbürge mich dafür, dass mir mein Vater über sein Projekt erzählt hat. Das ist länger als sechs Monate her. Er gab Herrn Beutelmoser, den er für seinen Freund hielt, das Manuskript zum Lesen und zur Beurteilung. Herr Beutelmoser hat den Tod meines Vaters ausgenutzt und das Manuskript als sein eigenes präsentiert!«
Die Tür ging auf. Die Kellnerin betrat den Raum und fragte: »Haben die Herrschaften schon Ihr Essen gewählt?«
Als ihr niemand antwortete, verließ sie den Raum wieder, sichtlich verstört.
»Herr Beutelmoser, nun sagen Sie doch etwas!«, flehte der Verleger. Die Aussicht, 20.000 Bücher einstampfen zu müssen, stürzte ihn in Existenzängste.
Beutelmoser erhob sich schwerfällig aus dem Stuhl. Er taumelte. Seine Hände stützten sich auf den Tisch und hielten sich fest. Er blieb eine Weile stehen, um Sicherheit zu bekommen. Dann drehte er sich um und verließ wortlos den Raum. Niemand folgte ihm.
»Putzi« mischt noch einmal mit
Ich hatte meine Geschichte geschrieben und war auf dem Weg nach Hause. Ein Triumphgefühl verspürte ich nicht, ganz im Gegenteil. Beutelmosers Ruf war ruiniert. Wenn er Pech hatte, dann hing ihm die Polizei auch noch den Mord an Nello an. Es passte alles so gut zusammen. Mord aus Ehrgeiz und Geltungssucht.
Auch ich hatte Beutelmoser für Nellos Mörder gehalten, doch ich war unsicher geworden. Er war zu weich, er konnte eine solche Sache nicht durchziehen.
Während ich meinen Artikel schrieb, kam die Nachricht, dass Beutelmoser völlig verwirrt von der Polizei aufgegriffen worden war. Zuvor hatte er sich einen Cowboy-Hut gekauft. Als er wenig später ein Waffengeschäft betrat, um einen Colt zu erstehen, rief der Besitzer die Polizei, weil sich sein Kunde so merkwürdig benommen hatte.
Ich erreichte den Parkplatz vor meinem Haus. Allein in meiner Wohnung zu sein, war keine schöne Vorstellung. Wenigstens die Katzen würden mich begrüßen und nach einer Dose Futter verlangen. Müde stieg ich aus und schlenderte in Richtung Haustür.
Plötzlich stand »Putzi« vor mir. Er machte nicht den Eindruck, als wolle er mit mir einen Zug durch die Gemeinde machen.
»Hallo, Putzi!«, krächzte ich. »Kann ich was für Sie tun?«
Er antwortete nicht, sondern streckte den Arm aus und packte mich am Revers meiner Leinenjacke. Dann zog er mich langsam an sich heran.
Ich trat ihn mit den Spitzen meiner Pumps vors Schienbein. Das tat weh, und er lockerte den Griff. Ich riss mich los und spurtete in Richtung Haustür.
Wie oft hatte ich geflucht, dass die Kinder im Haus einen Keil zwischen Tür und Rahmen legten, doch jetzt hätte ich die
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