Grappa 05 - Grappa faengt Feuer
Pascha keinen Stress zu machen?« Die Sätze trieften vor Hohn.
Er ließ meine Hand los, sprang auf, stieß das Weinglas um und schleuderte mir ein griechisches Schimpfwort entgegen.
»Du mich auch!«, rief ich ihm nach.
Ich sah noch, wie Daphne leise lächelte und ihm die Treppe hinauf folgte. Die Weinflasche war zum Glück noch dreiviertel voll. Das hatte sich nach drei Minuten geändert. Es wurde bereits dunkel, und die Moskitos fielen über mich her. Es war mir egal. Sie würden sowieso an einer Alkoholvergiftung zugrunde gehen.
»Da sind Sie ja noch!«, sprach die Stimme von Waldemar Unbill. Er hatte wohl einen Spaziergang gemacht.
»Sie haben mir gerade noch gefehlt!«, stöhnte ich.
Er setzte sich trotzdem.
»Ich habe Ihren Streit eben mitgekommen. Rein zufällig natürlich!«
Er nervte mich tödlich. »Müssen Sie Ihrem Sohn keine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen?«, schnippte ich ihn an.
»Heute nicht.« Er war ruhig und wollte sich nicht reizen lassen. »Haben Sie endlich gemerkt, was mit diesem Kondis los ist?«
»Meinen Sie das dritte Auge auf der Stirn? Oder den Bocksfuß und den Schwefelgestank?« Mir war zum Heulen zumute.
Sein Blick drückte Überlegenheit aus. Die weiße Haarwolle kam mir im Gegenlicht der Neonreklame der Taverne gegenüber wie ein teuflischer Heiligenschein vor.
»Sie tun mir wirklich leid!« Er tatschte nach meiner Hand. Seine war weich und feucht. Ich stieß einen unwilligen Laut aus und zog sie weg. »Lassen Sie das! Verschwinden Sie, ich will allein sein.«
»Kondis geht über Leichen, wenn er etwas erreichen will. Oder wenn er sich entlarvt glaubt.«
»Lassen Sie die alte Leier mit dem Kunstdiebstahl. Ich kann sie inzwischen singen. Haben Sie nichts Neues auf Lager, um ihn zu diffamieren?«
»Kein Problem. Sie glauben mir zwar sowieso nicht, weil er Ihnen den Kopf verdreht hat. Aber ich will es versuchen!« Er winkte den Kellner heran und bestellte eine Flasche Roten.
»Na und? Ich höre!«, blaffte ich ihn an.
Unbill zog umständlich seine Brieftasche aus der Blousonjacke, krabbelte drin rum und legte etwas vor mich auf den Tisch. Es war ein Foto.
»Ich kann nichts sehen«, sagte ich wahrheitsgemäß, »weil es zu dunkel ist.«
Unbill bat den Kellner, eine Lampe zu bringen. Ich spürte instinktiv, dass eine neue Enttäuschung auf mich wartete. Eigentlich hätte ich gehen sollen, denn Kondis und ich hatten uns gegenseitiges Vertrauen versprochen. Und ich saß mit seinem Feind gemütlich an einem Tisch und betrank mich!
Nun stand die Lampe auf dem Tisch. Auf dem Foto war eine Frau zu sehen. Sie hatte ein schmales Gesicht mit dunklen Augen und blickte ernst in die Kamera. Die Lippen waren voll, leicht geöffnet und gaben einige weiße Zähne frei, die Lider lagen schwer auf den Augen. Die dunklen, fülligen Haare waren hochgesteckt, nur einige kleine Löckchen fielen in die breite Stirn. Die Ohren lagen frei und waren mit Ohrringen geschmückt, von denen einer auf die Schulter fiel. Sie war nicht mehr ganz jung, doch sehr schön.
»Wer ist sie?«
»Meine Frau. Um genau zu sein: Meine zweite Frau. Nicht die Mutter von Ajax. Sie war Griechin. Eine Wissenschaftlerin, deren Schwerpunkt antike Terrakotten waren.«
»Warum zeigen Sie mir das Bild?«
»Sie hat sich umgebracht. Wegen Kondis.«
Der Alkohol in meinem Blut milderte den Schock etwas ab. Ich bestellte einen Topf Kaffee und nahm zwei Aspirin. Dann richtete ich mich auf und forderte: »Erzählen Sie mir alles!«
Eine kalte Dusche mit Langzeitwirkung
Sie hieß Athina, war 35 Jahre alt, selbstbewusst und schön. Unbill lernte sie auf einer Reise kennen, fing an, sie zu lieben und holte sie nach Deutschland. Als Kuratoriumsmitglied fiel es ihm leicht, ihr eine Arbeit in dem Privatmuseum zu besorgen, dessen Leiter Kondis damals war.
»Meine erste Frau war seit fünfzehn Jahren tot. Die Begegnung mit Athina traf mich wie ein Blitzschlag. Ich will Sie nicht mit meiner Liebesgeschichte langweilen. Wir heirateten, doch sie behielt ihren Mädchennamen: Athina Melas. Sie wollte nicht, dass jemand glaubte, sie habe den Job im Museum nur durch Protektion erhalten. Kondis sah sie und stellte ihr sofort nach. Nach einigen Wochen war sie seine Geliebte. Einige Wochen später beendete er die Affäre. Sie nahm sich aus Scham das Leben.«
»Wissen Sie«, murmelte Unbill, »ich hätte ihr alles verziehen, aber ihm nicht. In ihrem Abschiedsbrief gestand sie mir alles. Mir war klar, dass Kondis an ihrem Tod schuldig
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