Grappa 07 - Killt Grappa
demokratischen Staat eine Kontrollfunktion ausüben soll«, dozierte ich von oben herab. »Wer öffentlich agiert – so wie Sie – der muss sich auch beobachten lassen. Wir leben schließlich nicht in einer Diktatur. Also regen Sie sich wieder ab.«
»Sie erschweren meine Arbeit«, brüllte er durch den Hörer, »seit 25 Jahren ist mir so was nicht mehr passiert. Kommen Sie mir bloß nicht noch mal ins Gehege, Sie Emanze!«
»Aber, aber ...« sagte ich mild, »das hört sich ja fast wie eine Drohung an. Wenn Sie Ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind, legen Sie doch die Leitung der SoKo in jüngere Hände. Irgendein Talent muss es doch bei der Bierstädter Polizei geben – man sollte mal danach suchen. Trotzdem – alles Gute für Sie, Herr Baißer.«
Bevor der Schaum vor seinem Mund durch die Leitung quellen konnte, beendete ich das Gespräch. Ich hatte Wichtigeres zu tun, als mich mit einem Polizisten herumzuärgern, der an einem Karriereknick zu knuspern hatte. Die Straßenkarten auf meinem Schreibtisch warteten. Ich fuhr mit dem Finger die Bundesstraße entlang, notierte einige Orte im Umkreis bis zu 20 Kilometer von der Schnellstraße entfernt. Zum Schluss hatte ich rund 40 Ortsnamen auf dem Blatt. Eigentlich viel zu viel, um sie allein überprüfen zu können. Ich läutete etwa zwanzig Verkehrsvereine und städtische Pressestellen an, beschrieb den Bauernhof und hoffte auf einen Hinweis. Vergebens. Dann hatte ich die Nase voll.
»Wo ist der Volontär?«, fragte ich, als ich mit der Liste in Jansens Büro stand.
»Brötchenholen«, meinte Jansen. »Warum?«
»Ich brauche ihn für eine wichtige Aufgabe. Ich will rauskriegen, wo Eva Grid ist. Guck mal!« Ich reichte ihm das Foto.
»Das ist ein Bauernhof«, stellte er fest.
»Wie clever«, sagte ich, »dann sag mir doch noch, wo er liegt, damit ich eben mal hinfahren kann.«
»Das ist der Birkenhof in der Nähe von Unna«, antwortete Jansen.
»Du spinnst! Oder kannst du hellsehen?«
»Der Birkenhof liegt in der Nähe des Reiterhofes, in dem meine Kinder Unterricht haben. Hat früher mal der Stadt gehört und ist jetzt in Privatbesitz.«
»Und ich investiere wertvolle Stunden meines jungen Lebens in das Studium divserser Landkarten und telefoniere mir die Krallen wund!«, rief ich aus. »Warum hast du nicht gleich gesagt, dass du den Hof kennst?«
»Woher sollte ich das wissen?«, grinste Jansen. »Du hättest mir das Foto ja mal zeigen können. Aber Frau Grappa brütet ihre Geschichten ja lieber höchstpersönlich aus, statt ältere und erfahrene Kollegen in ihre Recherchen mit einzubeziehen.«
Drei Fotos mit Brisanz
Bevor ich mich weiter mit dem Bauernhof beschäftigte, wollte ich Loki Detema kennenlernen, die neue Verdächtige im Mordfall Grid. Sie arbeitete seit der Scheidung von ihrem Mann halbtags in einem kleinen Blumengeschäft. Es hieß Kornblumenblau und lag mitten in der Bierstädter City.
»Wo gehst du hin?«, wollte Turkey wissen, als er mich auf dem Parkplatz des Verlagshauses traf. Er kam gerade aus dem Rathaus von einem heißen Termin: Die zweite Bürgermeisterin hatte eine 30-köpfige Schülergruppe aus unserer Partnerstadt Leeds empfangen und sich zusammen mit den englischen Kids ablichten lassen.
»Die Bullen haben eine neue Verdächtige«, berichtete ich. »Ich bin auf dem Weg zu ihr. Ich will aber erst einmal allein mit ihr reden.«
»Du hältst mich aber auf dem laufenden, oder?«
»Sicher, Turkey. Du bist wieder dabei, wenn's weitergeht. Morgen werden wir uns den Bauernhof ansehen.«
»Weißt du etwa schon, wo er liegt?« In Turkeys Blick stand Bewunderung.
»Aber sicher. Analytische Intelligenz gepaart mit Erfahrung und Kombinationsgabe – so werden die Fragen dieser Welt gelöst, Kleiner!«
»Grappa, du bist ein ausgebuffter Profi!«
Ich nahm das Kompliment gelassen hin. »Ich weiß. Also dann, ich muss los.«
Kornblumenblau war ein schicker Laden, in dem schlichte Nelken genauso teuer waren, wie anderswo Langstilrosen. Totes Gemüse war noch nie mein Fall; ich mochte Pflanzen, die noch Leben hatten, wenn's auch nur auf den Blumentopf beschränkt war.
Nachdem ich eine Weile vor dem modernistisch gestylten Schaufenster verbracht hatte, betrat ich den Laden. Die Luft war feucht, es roch nach altem Blumenwasser.
»Hallo, ist hier jemand?«, rief ich.
Eine junge Frau mit Chinafrisur tauchte aus dem Nichts auf. Sie war mit einem knappsitzenden grünen Kittel bekleidet, der farblich mit dem Ladeninterieur harmonierte.
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