Grappa 07 - Killt Grappa
verstehen«, versuchte ich sie zu trösten. »Wir Frauen sind doch nie mit uns zufrieden, werden mit immer neuen Schönheitsidealen und Trends bei der Stange gehalten. Wer sich in Ordnung findet, wie er ist, der ist keine Beute mehr für Kosmetikkonzerne, Modeindustrie und gewissenlose Chirurgen. Selbstbewusste Frauen, die sich vom Diktat der Werbung befreit haben, lassen sich nicht mehr so leicht das Geld aus der Tasche ziehen. Ich habe auch lange dazu gebraucht, das alles zu begreifen und danach zu handeln.«
Mehr als einmal hatte ich mir Pfunde heruntergehungert, nur um einem bestimmten Modetrend folgen zu können. Auch für teure Gesichtscremes und Wirkstoffkapseln hatte ich manche Mark hingelegt, um irgendwann festzustellen, dass die leichte Feuchtigkeitscreme aus dem Supermarkt die Fältchen genauso beseitigt, nämlich gar nicht.
»Darf ich Ihre Geschichte in meiner Zeitung veröffentlichen?«, fragte ich. »Natürlich ändere ich Ihren Namen.«
»Ich habe nichts dagegen«, sagte Loki Detema. Sie hatte sich wieder gefasst. »Ich habe noch drei Fotos, mit denen Sie Ihre Geschichte illustrieren können.« Sie griff in ihre Handtasche und zog einen Briefumschlag heraus. »Hier! Ich trage sie immer bei mir.«
Ich warf einen vorsichtigen Blick auf die Bilder. Eins zeigte den nackten Oberkörper einer Frau mit sehr kleinem, festen Busen. Das zweite Foto war wohl kurz nach der Operation aufgenommen worden. Aufgeblähte Wülste mit riesigen Brustwarzen streckten sich der Kamera entgegen. Ein Atombusen, der an einen knabenhaften Körper montiert worden war. Das dritte Bild war wohl eins von denen, die Nik Kodil in der Polizeiakte gesehen hatte. Derselbe Oberkörper, nachdem die Silikonkissen wieder entfernt worden waren. Die Brüste waren ungleich. Die rechte Brust bestand nur aus einem Hautlappen, der an eine leere Leberwurstpelle erinnerte. Die linke Brust »zierte« eine horizontale Narbe, die schlecht verheilt war.
»Schrecklich«, murmelte ich voller Mitleid. Meine Brust schmerzte plötzlich.
»Wollen Sie die Bilder veröffentlichen?«
»Wären Sie denn damit einverstanden?«, fragte ich verblüfft.
Sie nickte.
»Ich weiß nicht, ob ich unseren Lesern so was zumuten kann«, wandte ich ein, »die meisten lesen unser Blatt am Frühstückstisch.«
»Umso besser«, meinte Loki Detema, »dann ist die Wirkung umso nachhaltiger. Wie sonst kann man Frauen davor warnen, das zu tun, was ich getan habe?«
»Sie haben recht«, räumte ich ein, »ich will's versuchen. Versprechen kann ich's nicht. Mein Chef ist ein Mann.«
»Dann wird's wohl nicht klappen. Männer wollen nur perfekte Busen sehen. Erst recht in der Zeitung.«
»Ich danke Ihnen, dass Sie so offen waren. Wenn Sie mich mal brauchen sollten, rufen Sie mich doch einfach an.« Ich reichte ihr meine Visitenkarte.
Mit einem flauen Gefühl im Magen verließ ich das kornblumenblaue Geschäft. Im nahegelegenen Stadtgarten ging ich eine Weile spazieren, um mich wieder zu fassen. Manche Gespräche schlagen einem ganz schön auf die Stimmung!
Nur die Wahrheit
»Solche Bilder kannst du nicht bringen«, regte sich Jansen auf, »unsere Leser kotzen in ihr Vierkornmüsli. Willst du das?«
»Ich möchte die Wahrheit schreiben und auch zeigen«, ereiferte ich mich. »Grid hat die Frau schließlich so hergerichtet. Und sie hat auch noch 12.000 Mark dafür bezahlt. Er war nicht die Lichtgestalt im weißen Kittel, als die er sich in den Medien dargestellt hat. Und genau das will ich der Öffentlichkeit beweisen.«
»Grappa! Du drehst durch! Der Mann hat nach Aussagen von zwei Gutachtern keinen Kunstfehler gemacht, und er ist nicht wegen Körperverletzung verurteilt worden. Außerdem ist diese Frau ja schließlich freiwillig zu ihm gegangen, niemand hat sie gezwungen, ihren Busen operieren zu lassen. Die Story kannst du gerne schreiben – immerhin kommt die Frau als Täterin in Frage. Aber die Fotos bleiben in deiner Schublade, und damit basta!«
»Typisch Mann«, maulte ich, »erst verlangt ihr, dass wir Frauen perfekte Schönheitsköniginnen und attraktive Sexualobjekte sind – und wenn's schief geht, wollt ihr nichts mehr davon wissen.«
»Du schüttest mal wieder das Kind mit dem Bade aus«, gab Jansen zurück und schlug ärgerlich mit seinem Lineal auf die Schreibtischkante. »Ich verbitte mir, mit den Männern in einen Topf geworfen zu werden, die ihre Frauen zum Chirurgen jagen. Und du gehörst ja wohl auch nicht zu den Frauen, die sich wegen den
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