Grappa 08 - Grappa und die fantastischen Fuenf
traute ich mich doch nicht. Die Kerle kamen ziemlich schnell wieder, setzten sich ins Auto, drehten eine Runde über den Platz, und weg waren sie.«
»Wie sahen die Männer aus?«
»Ich war zu weit weg.«
»Sie sagten, dass die vier eine Runde drehten. Was meinen Sie damit?«
»Sie fuhren über den leeren Platz. Ich bekam Schiss und drückte mich tief in den Eingang des Kaufhauses. Als der Wagen auf meiner Höhe war, fuhr er langsam, und einer der Kerle – der neben dem Fahrer – schaute in meine Richtung. Dann kam der Kehrwagen der Stadtwerke mit dem gelben Blinker auf dem Dach. Die Typen gaben Gas und – das war's.«
»Sie haben verdammtes Glück gehabt«, sagte ich. »Wäre der Reinigungswagen nicht gekommen, wären Sie jetzt bestimmt eine Leiche.«
»Das kann gut sein«, stimmte Leon zu. »Verstehen Sie jetzt, warum ich mich bei den Bullen nicht gemeldet habe?«
»Ich verstehe Sie. Doch mir ist nicht ganz klar, warum Sie sich auf meinen Artikel hin gerührt haben.«
»Das kann ich Ihnen sagen«, lächelte Leon. »Die Mörder wissen jetzt, dass sie einen Straßenmusikanten zu suchen haben, der Geige spielt. Sie haben mich in Gefahr gebracht, Frau Grappa. Deshalb erwartet ich von Ihnen, dass Sie mir die Leute vom Hals halten.«
Mir blieb fast die Spucke weg. Erst frisst der Kerl meine Nudeln, dachte ich, und jetzt soll ich noch Kindermädchen spielen. Ohne mich!
»Leon! Sie haben vielleicht Nerven«, rief ich. »Ich kann Sie nicht beschützen. Gehen Sie zur Polizei, und sagen Sie aus. Das ist die beste Lebensversicherung.«
»Geht nicht«, sagte er kategorisch, »die kriegen mich dran wegen der Sache mit der Geige.«
»Dann verschwinden Sie in eine andere Stadt!«
»Hier gefällt es mir aber gut.«
»Und die Leute, mit denen Sie zusammenarbeiten? Der berühmte Geiger Ulanov und seine liebreizende Gattin?«
»Ich war Ulanov. Ein bisschen Schminke, Brille, Perücke und angeklebte Barthaare. Ich war mal drei Semester auf der Schauspielschule. Die Frau ist meine Schwester.«
Ich atmete durch. »Und wo ist Ihre Schwester jetzt?«
»In unserem Zimmer – nehme ich an. Sie ist Porträtmalerin. Arbeitet wie ich in den Fußgängerzonen von großen Städten. Ich will sie auf keinen Fall in Gefahr bringen.«
»Und was bedeutet das?« Mir schwante Schreckliches.
»Dass ich nicht in unsere Bude zurück kann. Wenn der Staatsanwalt uns verfolgt hat, dann haben uns die Mörder auch längst entdeckt.«
»Und wo wollen Sie hin?«
Leon musterte meine Wohnungseinrichtung. Sie schien sein Wohlwollen zu finden. Meine Laune sank auf den Gefrierpunkt.
»Ich würde gern hier bleiben«, gestand er. »Es gefällt mir bei Ihnen.«
»Das kommt überhaupt nicht in Frage«, blaffte ich unfreundlich. »Suchen Sie sich einen anderen Dummen. Und jetzt raus hier!«
Abrupt stand ich vom Tisch auf, der Stuhl hinter mir fiel um.
Eingeschüchtert starrte mich Leon an. Sein Haar war inzwischen trocken, und er sah herziger aus als ein dunkelhaariger Rauschgoldengel.
»Ich führe Ihren Haushalt«, versuchte er es wieder. »Ich kann putzen, abwaschen, staubsaugen, Betten machen. Ich könnte als Ihr Butler arbeiten.«
»Sie kommen mir eher wie eine Hausmilbe vor, die scharf auf meinen Teppichboden ist. Ich habe keinen Bedarf an ständiger Gesellschaft.«
Ich stellte den Stuhl auf seine vier Beine und rannte durch das Zimmer. Du hast es dir selbst eingebrockt, schimpfte ich mit mir. Durch den Artikel im Bierstädter Tageblatt wussten die Mörder tatsächlich, wo sie den Augenzeugen suchen sollten.
»Sie sind bei mir auch nicht sicher«, erklärte ich. »Die Täter wissen, dass ich über den Fall geschrieben und Sie gesucht habe. Also werden sie bei mir zuerst suchen – genau wie der Staatsanwalt es getan hat.«
Leon antwortete nicht. Zufällig schaute ich aus dem Fenster. Unten wartete ein dicker Wagen mit abgeblendeten Scheinwerfern.
Ich winkte Leon zu mir. »Kommt Ihnen das Auto bekannt vor?«
»Es könnte der Wagen sein«, behauptete der Geiger.
»Aber auch nicht, oder?«
»Wie soll ich das ganz genau wissen? Ich weiß nur, dass ich Angst habe. Große Angst«, jammerte er.
Ich kapitulierte. Ich konnte hübsche Männer noch nie leiden sehen.
»In meinem Arbeitszimmer steht ein Gästebett«, brummte ich. »Ich gebe Ihnen Bettwäsche, beziehen müssen Sie die Kissen selbst. Und nur für eine Nacht – damit das klar ist.«
»Ich danke Ihnen«, jubelte Leon. »Ich räume auch den Tisch ab und spüle das Geschirr. Sie
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