Grappa 08 - Grappa und die fantastischen Fuenf
Lebensgefahr. Ist Ihnen das klar?«
»Nett, dass Sie sich so um mich sorgen.« Ich drückte den Oberstaatsanwalt zur Seite. »Wenn ich Ihre Hilfe brauche, lasse ich es Sie wissen. Einen schönen Abend noch. Und jetzt hab ich Lust auf ein ausgedehntes Bad mit meinem Lover.«
Männer in Frauenberufen
Als ich die Wohnungstür aufschloss, vernahm ich ein Rauschen. Leon hatte meine Aufforderung wörtlich genommen – im Badezimmer floss warmes Wasser in die Wanne. Der Hellste ist er nicht gerade, dachte ich und drehte den Hahn wieder zu.
Leon saß am Küchentisch.
»Ich hab ihn abgewimmelt«, erzählte ich. »Der Oberstaatsanwalt sucht Sie aus demselben Grund wie ich. Er hofft, dass Sie in der der Nacht vor dem Leichenfund irgendwas beobachtet haben. Und? Haben Sie?«
»Darf ich erst mal baden?«, fragte er. »Ich habe nur ein kleines Zimmer mit Waschbecken. Klo eine Treppe tiefer. Die Wanne müsste jetzt gefüllt sein.«
»Meinetwegen«, hörte ich mich sagen. »Ich mache in der Zwischenzeit was zu essen. Nehmen Sie das blaue Handtuch, das im Wandregal liegt.«
Leon verschwand im Bad. Du bist verrückt, Grappa, dachte ich. Du lässt einen völlig Fremden in dein Bad. Und kochst auch noch für ihn. Das muss die Einsamkeit oder der unausgelebte Pflegetrieb einer alleinstehenden Junggesellin sein, diagnostizierte ich. Der nächste logische Schritt wäre die Eröffnung eines Katzenasyls.
Im Kühlschrank ortete ich etwas fertige Pesto -Sauce und Parmesan. Genug für ein Nudelgericht. Er wird viel Hunger haben, dachte ich und warf ein Pfund Farfalle ins kochende Salzwasser. Dann öffnete ich eine Dose rote Bohnen, zerhackte eine kleine Zwiebel und zwei Knoblauchzehen und rührte die Salatsauce an. Noch ein paar Bröckchen Thunfisch drüber und fertig.
Als Leon mit feuchten Haaren und nach meinem Badesalz duftend in der Küche stand, dampften die mit Pesto vermischten Nudeln bereits in der Schüssel.
»Setzen Sie sich.«
Er tat es und sah mit leuchtenden Augen zu den Nudeln hin. Ich platzierte eine ordentliche Menge auf seinem Teller.
»Schade, dass Sie keinen Alkohol trinken«, bedauerte ich. »Jetzt muss ich die Flasche Chardonnay allein trinken.«
Er blickte auf die Flasche Mineralwasser auf dem Tisch.
»Vielleicht doch ein Glas«, änderte er seine Meinung.
»Na also.«
Er schaufelte sich die Pasta rein. Schweigend sah ich zu. Leon wirkte wie ein streunender Hund, der an diesem Abend eine Mahlzeit nebst gemütlichem Plätzchen bei einem netten Frauchen ergattert hatte.
»Sie haben also in den Tagen vor der Sprengung auf dem Platz Ihre Violine gespielt«, kam ich zum Kern der Sache. »Was war an dem Abend, bevor die Bibliothek in die Luft gejagt wurde?«
»Ich war da«, gab er an. »Ich habe im Nebeneingang des großen Kaufhauses gesessen. Die Nacht war nicht besonders kalt, und ich hatte noch kein Zimmer. Ich wollte also draußen pennen und am anderen Morgen ein bisschen spielen.«
»Sie waren aber an dem bewussten Morgen nicht da«, warf ich ein. »Ein paar schräge Töne zu den Explosionsgeräuschen – warum nicht? Was ist passiert?«
Er hatte das Glas geleert – ich goss es wieder voll. Leon wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab – ein wenig Pesto klebte an seiner Wange. Es sah niedlich aus.
»Irgendwann in der Nacht schreckte ich hoch. Ich hatte Stimmen gehört und dachte, dass mich die Polizei verscheuchen wollte. Ich krabbelte unter meiner Decke hervor und lauschte. Die Stimmen kamen von weiter her. Ich guckte um die Ecke und sah drei Männer. Sie standen an dem Bretterzaun – genau vor dem Gebäude, das am Morgen gesprengt werden sollte. Ich hielt sie für Penner, die durch die Stadt streiften. Doch dann kam das dicke Auto. Es fuhr genau vor den Zaun.«
»Welche Marke? Konnten Sie das Kennzeichen sehen?«
Leon schüttelte den Kopf. Seine feuchten, dunklen Haare bewegten sich wie winzige wippende Schlangen.
»Es war viel zu dunkel«, fuhr er fort. »Ein Mann stieg aus dem Auto aus und öffnete den Kofferraum. Die drei anderen traten dazu. Dann hievten die Kerle etwas Schweres aus dem Schlitten und schleppten es in Richtung Bretterzaun. Es war ein längliches Paket. Ich dachte sofort an eine Leiche. Im Zaun war wohl eine Tür, denn nach ein paar Sekunden waren die vier mit ihrem Paket hinter der Absperrung verschwunden. Mir kam die Sache merkwürdig vor.«
»Wie lange waren die Männer verschwunden?«
»Nur ein paar Minuten. Zuerst hatte ich vor, mich ranzupirschen, doch dann
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