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Grappa 10 - Zu bunt für Grappa

Grappa 10 - Zu bunt für Grappa

Titel: Grappa 10 - Zu bunt für Grappa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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getan. Die Rechnung war gesalzen. Ich bezahlte umgerechnet 350 Mark für die beiden Menüs. Hoffentlich erkennt Jansen die Rechnung als unvermeidbare Spesen an, dachte ich. Essen mit einem Informanten. Er brauchte ja nicht zu wissen, dass Boris Thaler dieser Mitesser war – jener Mann, der nicht nur die Politikerserie so schnöde geschmissen, sondern auch noch seinen Job aufgekündigt hatte, um mir hier gehörig auf die Nerven zu gehen.

Ich glaube fast, diese Bilder werden euch sagen, was ich in Worten nicht sagen kann, nämlich was ich Gesundes und Kraft Gebendes im Landleben erblicke.
    Honig und Oliven
    Der Markt war nicht groß, doch es wurden all die Produkte angeboten, die die Provence und Frankreich hervorbrachten: Oliven in unglaublicher Vielfalt und verschieden eingelegt, Knoblauch in prallen Knollen, knallrote Tomaten, frische Feigen, Lavendelhonig, Eichenhonig, ›Miel de mille fleurs‹ und – mir lief das Wasser im Mund zusammen, als ich sie sah – die Käsespezialitäten: Tomme du pays, Banon, Roquefort, Fromage du chèvre, Chaource, Munster und einige Hartkäse, deren Namen ich nicht kannte, die aber alle aussahen, als müsste man vor Wonne vergehen, wenn sie auf die Zunge gelangten.
    Hinter den Ständen warteten die Bauern und Bäuerinnen auf Kunden. Fröhlich und laut unterhielten sie sich miteinander. Ich verstand wenig – sie sprachen mit dem harten südfranzösischen Akzent.
    »Conaissez-vous cette petite chapelle?« , versuchte ich es an einem Honigstand.
    Die Frau, die auf einem dreifüßigen Sitz thronte, betrachtete das Foto, schüttelte den Kopf und reichte es ihrer Nachbarin weiter, die vor hölzernen Bottichen mit eingelegten Oliven und Schafskäse saß.
    »C'est à côté de Saint-Rémy« , sagte ein Mann, der hinter die Frau getreten war. »A peu près à cinq kilomètres de la ville.«
    Ich reichte dem Mann die Straßenkarte und bat ihn, mir die genaue Stelle zu zeigen, was er auch tat.
    »Also los!«, sagte Thaler.
    »Noch nicht«, widersprach ich. »Wir brauchen noch etwas zu essen. Für heute Abend. Was wollen wir kochen? Sterner ist schließlich auch noch da. Nach dem vielen Alkohol braucht der arme Teufel was Ordentliches auf die Gabel. Also – was soll ich kaufen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Salat, ein paar Lammkoteletts und Käse. D'accord? «
    Thaler zuckte die Schultern.
    Eine Viertelstunde später hatte ich alles beisammen und packte die Einkäufe ein.
    »Können wir jetzt endlich?« Thalers mürrische Miene sollte mir den Tag nicht wieder verderben – nahm ich mir vor.
    »Sicher.«
    Wir erklommen den Roadster. Das Nachwuchstalent startete und tat das, was es am liebsten tat: Gas geben.
    Kurze Zeit später erreichten wir die Kapelle.
    Ich hielt den Atem an. Das Licht des beginnenden Nachmittages war mild, die niedrigen Mauern strahlten von innen. Es war eine bäuerliche Kirche, gebaut von Menschen, die nicht besonders viel Geld hatten und die dennoch etwas schaffen wollten, um ihren Gott zu verehren. Der Stil war eindeutig romanisch, niedrig, breitbeinig und mit klaren, einfachen Formen.
    Ich lief um die Kapelle herum, rüttelte an der von Sonne und Wind gebeutelten Tür – sie war verschlossen.
    Eine vergilbte Erklärtafel war an eine Außenwand geheftet. Die kleine Kirche stammte aus dem 11. Jahrhundert, war durch Brände immer wieder geschädigt, aber nicht ganz zerstört worden, hatte mal mehr und mal weniger Bedeutung für die Gottesanbetung in diesem Landstrich gehabt. Ende des neunzehnten Jahrhunderts war der Chor restauriert und vergrößert worden. Eine Jahreszahl in der Mauer nannte die Ziffer 1892.
    »Jetzt müssen wir den Blickwinkel des Malers finden«, sagte ich und hielt mir das Foto unter die Augen.
    »Hier entlang!«, kommandierte Boris Thaler. Er deutete auf ein Feld.
    »Das kann doch nicht wahr sein«, brach es erstaunt aus mir heraus. »Van Gogh hat das Bild vor über hundert Jahren gemalt – und hier werden noch immer Cavaillon-Melonen angebaut!«
    »Auf dem Land vergeht die Zeit eben nicht so schnell«, verkündete Thaler. »In unseren Breiten hätte eine Autobahn dieses Feld längst verdrängt.«
    »Hier ist es! Von hier aus muss Vincent den Bauern im Melonenfeld gemalt haben«, stellte ich begeistert fest.
    Es stimmte alles: Ein Lavendelfeld war auf der rechten Seite, der Blick gespalten durch einen Olivenbaum, das Melonenfeld und links oben die Silhouette der romanischen Kapelle. Fast perfekt. Doch nicht ganz. Die Sonne als beherrschendes Moment

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