Grappa 14 - Grappa im Netz
›Lockvogel‹ beschäftigt gewesen war. Vielleicht wusste er inzwischen mehr über Ada Hecke.
Er hatte zum Glück noch nichts vor und wir verabredeten uns für den Abend im Henker.
Es dunkelte schon, als ich das Haus verließ. Ich ließ mein Auto stehen, nutzte die Gelegenheit, durch Bierstadts Straßen zu spazieren, denn ich brauchte Bewegung. Eigentlich hatte ich mir für diesen Sommer, der jetzt schon fast zu Ende war, ein Fahrrad kaufen wollen, um mich in Schwung zu bringen. Aber es hatte sich irgendwie nicht ergeben.
In den Fenstern glimmten vereinzelte Kerzenlichter: die kümmerlichen Reste der Aktion ›Ein Lichtlein für Nagel‹. Noch immer war der Oberbürgermeister von Bierstadt verschwunden – aber die Menschen in Bierstadt hatten sich daran gewöhnt.
Gregor Gottwald, Nagels Vorgänger, appellierte zwar in schöner Regelmäßigkeit an die Entführer, Nagel endlich freizulassen, verband diese Bitte aber auch mit der Zusage, im schlimmsten Fall selbst wieder als OB zur Verfügung zu stehen – um die Stadt aus ihrer Krise zu führen. Da stellte nicht nur ich mir die Frage, welche Krise wohl die schlimmere sei – die mit einem weiter verschwundenen Nagel oder die mit einem wiederauferstandenen Gottwald.
Peter Jansen saß bereits an einem Tisch. Wie er ihn ergattert hatte, war mir schleierhaft, denn an diesem Samstagabend brummte es im Henker. Heute Abend war es die Lesung einer Krimiautorin, die aus ihren gesammelten Fragmenten vorzulesen drohte. Bis sie anfing, musste ich mit Jansen klar sein, denn das wollte ich mir auf keinen Fall antun. Ich hatte Krimi genug gehabt in den letzten Wochen.
»Hallo, Peter.« Ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Wie geht es dir?«
»Unverändert«, meinte er. »Doch als ich von dem Treffen zwischen der Urban und Tom Piny hörte, bekam mein Leben wieder etwas Farbe.«
»Bist du noch immer für Ada Hecke entflammt?«, kam ich unverblümt zur Sache. Jansen erhielt etwas Zeit, sich die Antwort zu überlegen, denn die Kellnerin fragte nach unseren Wünschen.
Jansen bestellte seine Limonade und ich entschied mich für einen halben Liter Chianti. Noch eine Dreiviertelstunde bis zum Beginn der Lesung. Die Zeit würde reichen, um den Wein in der Karaffe zu vernichten.
»Und? Noch immer verknallt?«, wiederholte ich.
»Wir sind gute Freunde geworden«, erklärte er.
»Kommt sie eigentlich gut mit ihrem Sohn klar?«
»Im Prinzip schon. Aber, du weißt ja, wie Kinder in dem Alter sind.«
Nein, das wusste ich natürlich nicht, aber ich nickte für alle Fälle mal. »Und womit vertreibt sich Guido seine Zeit?«
»Er hat die Hobbys, die die heutige Jugend so hat. Computer, Disko und Rumhängen.«
»Computer?«
Jansen sah mich verständnislos an. »Was sollen die Fragen, Grappa?«
Die Getränke wurden gebracht. Ich goss den Wein ein, nahm einen kräftigen Schluck und erklärte Jansen meine gewagte Theorie.
Er hörte mir gespannt zu – ich hatte eher mit einem ungläubigen Gelächter gerechnet.
»Guido ist in einem Hacker-Club«, meinte er, als ich mit meinem Bericht zu Ende war, »deshalb ist deine Theorie gar nicht so abwegig.«
»Weißt du, was du da sagst?«, fragte ich aufgeregt. »Wenn Guido der Stramme Hengst ist, dann ist Ada Hecke die Mörderin! Nur so könnte es gehen!«
»Du spinnst, Grappa!« Jansen schüttelte den Kopf. »Zuerst die Urban und jetzt Ada! Franzi Urban hätte wenigstens noch ein Motiv gehabt, aber Ada? Sie hat genug damit zu tun, euer Kinderfernsehen aus den roten Zahlen zu kriegen.«
»Vielleicht entspannt sie sich so«, beharrte ich auf meiner Theorie. »So eine Art Selbstverwirklichung!«
»Klar. Tagsüber Fernsehen, abends Serienmörderin«, meinte Jansen trocken. »Eigentlich ganz logisch. Andere ziehen sich was Nettes an und gehen in die Oper, sie zieht sich was Nettes an und killt geile Kerle. Und sie schüttet K.-o.-Tropfen in die Drinks, um die eigene Show an die Wand zu fahren.«
»Was weißt du schon, was in Menschen vorgeht?«
»Ach, Grappa! Ich sehe dich schon am Montag in der Programmkonferenz, wie du mit dem Finger auf sie zeigst und sagst: Sie sind eine Mörderin!«
»Ein bisschen cleverer stelle ich mich schon an!« Langsam ging er mir auf den Zeiger mit seinem Sarkasmus. »Ich werde Kaligula jedenfalls meine Theorie erläutern. Er hört mir wenigstens zu!«
»Der ist ja auch psychologisch geschult. Der weiß halt, wie man mit jemandem wie dir umgehen muss! Außerdem ... da ist doch noch was anderes zwischen
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