Grappa 14 - Grappa im Netz
gegangene Beziehungen wiederzubeleben war nicht mein Ding. Aufgewärmtes Essen schmeckt auch nicht mehr frisch, sondern nur fade.
Kaligula hatte beschlossen, die Ottawa zur Vernehmung einzuladen. Wenn sie hörte, dass er von dem Tattoo wusste, würde sie sich an die Szene in der Dusche erinnern und sofort auf mich kommen. Sollte sie, ich hatte meine Pflicht als gute Staatsbürgerin erfüllt und alles erzählt, was ich wusste. Jetzt sollte Kaligula mal machen.
Warum war ich eigentlich so erpicht darauf, eine Mörderin zu finden, die im Grunde ziemlich segensreich gewirkt hatte? Immerhin hatte sie die Welt von einigen ›Prachtexemplaren‹ von Männern befreit, an denen Valerie Solanas ihre helle Freude gehabt hätte.
Ich saß in meinem Büro im Sender. Man hatte mir den Sendeablauf für das Magazin am Abend aufs Auge gedrückt. Ada Hecke hatte einige Tage Urlaub genommen – so hieß es. Jetzt führte der Chef vom Dienst die Geschäfte.
Die Programmkonferenz war nur Ritual. Jeder wollte schnell wieder an seinen Schreibtisch zurück, um was auch immer zu tun. Ada Hecke hatte die Runde immer total im Griff gehabt. Heute schien alles auseinander zu fließen, weil sie nicht mehr die Peitsche schwang.
Wenigstens Peter Jansen war wie immer. Seitdem einige Kollegen wussten, dass er ein ausgezeichnetes Verhältnis zur Chefin hatte, war er in ihrem Ansehen gestiegen und vom antiquierten Zeitungstrottel zum kompetenten Berater mutiert. Alles Schleimer, dachte ich, und ganz vorneweg trabt der Königspudel.
»Lass uns einen Kaffee trinken«, schlug ich Jansen vor. »Wie geht's der Hecke denn, jetzt, wo ihr Sohn verschwunden ist?«
»Das kannst du dir doch denken«, entgegnete er.
»Tut mir Leid.«
»Tatsächlich?«
Wir waren in der Kantine angekommen, holten den Kaffee und steuerten einen Tisch an. Hier war sonst niemand – außer der Kaffeemaschine und der Putzfrau, die die Tische abwischte.
»Was ist los?«, fragte ich. »Warum meinst du, dass es mir wurscht ist, wie es der Hecke geht?«
»Hast denn nicht du der Polizei gesteckt, dass Guido der Stramme Hengst sein könnte?«
»Das haben die doch schon gewusst«, erklärte ich. »Die sind misstrauisch geworden, als er ihnen nach dem Anschlag diesen Zettel mit der Heuschrecke präsentierte.«
»Der Junge hat es nicht leicht«, verteidigte Jansen ihn. »In dem Alter sind die Kinder immer schwierig. Keine Kinder mehr und noch keine Erwachsenen. Und, na ja, er ist ohne Vater aufgewachsen – das spielt natürlich auch eine Rolle.«
»Hat die Hecke nun was mit den Morden zu tun oder nicht?«
»Nein. Hat sie nicht.« Er sah mir in die Augen.
»Und woher weiß Guido dann so gut Bescheid?«
»Er ist Computerfan. Mitglied in einem Hacker-Club – was weiß ich? Er muss durch Zufall auf all das gestoßen sein.«
»Das glaubst du doch selbst nicht!« Jansen war ja völlig verblendet! »Und warum ist er dann verschwunden?«, setzte ich nach.
»Weil er überfordert ist und sich vielleicht schämt, dass er seine Mutter durch sein Verhalten belastet.«
»Vielleicht hat deine Hecke ihn aus dem Verkehr gezogen! Damit er nicht noch mehr Unheil anrichtet.« Aufgebracht haute ich mit der Faust auf den Tisch.
Der Kaffee schwappte über.
»Deine Wut nützt dir nichts, Grappa«, meinte Jansen. »Außerdem solltest du dich wirklich mal von deinen eindimensionalen Denkstrukturen lösen. Die mögen ja manchmal ganz nützlich sein – in diesem Fall aber bestimmt nicht. Es gibt zu vieles, das du nicht weißt und vermutlich auch nicht verstehen kannst. Warte doch einfach ab, wie sich die Sache weiter entwickelt. Was hast du davon, eine Mörderin zu finden, die eigentlich nur segensreich gewirkt hat?«
»Segensreich?« Komisch, die gleiche Idee hatte ich doch auch schon gehabt.
»Ja. Frag doch mal die Frauen der Opfer, ob es ihnen schlechter oder besser geht. Ich habe mir mal die Mühe gemacht und ein bisschen rumtelefoniert.«
»Du hast die Witwen der Kerle angerufen?«
»So ist es. Und habe von allen die gleiche Antwort bekommen, nämlich dass sie gut ohne ihre Männer klarkommen und richtig aufgeblüht sind. Warum auch sollte jemand notorischen Fremdgängern, perversen Schlägern und chronischen Säufern nachtrauern?«
»Und warum haben sich die Frauen nicht einfach getrennt?«
»Das ist nicht immer so einfach. Sonst wären die Frauenhäuser ja wohl nicht so voll.«
»Was ist eigentlich mit dir? Bist du auch schon zu einem Fremdgänger geworden?«
»Nein!« Das Wort kam
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