Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig
bewundere Sie, wie Sie diese in so origineller Form zum Ausdruck bringen«, sülzte ich. »Vielleicht sind Sie ja Ihrem Freund ein Gespräch mit mir schuldig? Es geht um einen Nachruf in unserer Zeitung. Gegen Honorar – versteht sich. Und wer würde eine bessere Würdigung seiner Kunst und seiner Person schreiben können als Sie?«
»Und wie soll das aussehen?« Ich hatte ihn!
»Das überlasse ich Ihnen. Aber wir sollten vorher darüber reden, vielleicht den einen oder anderen schönen Gedanken gemeinsam entwickeln.«
»Na gut.«
»Und ein paar Fragen hätte ich natürlich auch«, kündigte ich an. »Zum Beispiel zum Venedig-Seminar.«
»Was hat das mit Hunzes Tod zu tun?« War er plötzlich wacher geworden oder täuschte ich mich?
»Da hat es doch eine Menge Streit gegeben zwischen Ihnen, Hunze und Wiesengrundel.«
»Wer sagt das?«
»Frau Hunze. Worum ging es denn?«
»Die Hunze weiß gar nichts. Die hat ihn nur noch gehasst.«
»Also hat es keine Probleme gegeben?«, fragte ich.
»Nein«, behauptete der Dichter. »Überhaupt keine.« Es klang nicht ehrlich.
»Ist ja auch egal. Ich möchte Sie jedenfalls so schnell wie möglich treffen«, wiederholte ich meine Bitte. »Am Telefon lässt sich so schlecht reden.«
Krawottki überlegte. »In Ordnung«, stimmte er zu. »Ich habe aber gleich schon einen Termin. Wie wäre es gegen Mittag?«
Er nannte mir die Adresse eines Restaurants, das in der Nähe seines Hauses lag. Es waren noch drei Stunden bis dahin – Zeit genug, eine Strategie für die Befragung des Lyrikers zu entwickeln.
Im Internet fand ich ein Foto von Krawottki. Er war hässlich und fett, hatte eine großporige Haut und graues, klein gelocktes Haar. Also rein optisch nicht der Typ ›sensibler Poet‹, der im morgendlichen Nebel an einem See nach dem Sinn des Lebens sucht.
Der Drucker gab das Foto frei. Ich steckte es in die Handtasche zu den Zetteln mit Krawottkis Gedichten, dann schaute ich bei Jansen rein, um ihn über die neuesten Fakten und meine Pläne für die nächsten Stunden zu informieren.
»Du solltest dich mal um eine Liste der Teilnehmer des Venedig-Seminars kümmern«, meinte er nachdenklich. »Bisher wissen wir nur, dass Hunze, Krawottki, Wiesengrundel und die beiden Schwestern daran teilgenommen haben. Ist ein bisschen wenig, um mir eine Dienstreise nach Venedig abzuschwatzen.«
»Vielleicht hat Krawottki ja eine. Oder vielleicht hat Lotte Hunze in irgendeiner Schublade ihres Exmannes so was rumliegen. Es gibt bestimmt auch Kontoauszüge, Verträge oder Korrespondenz mit den Teilnehmern. In dem Flyer wird ein Koch erwähnt. Der muss ja auch einen Namen haben. Sag mal, kann ich Krawottki nicht anbieten, dass wir seine Gedichte im Tageblatt abdrucken? Samstags auf der Wochenendseite? Das lockert vielleicht seine Zunge!«
»Was schreibt der denn für ein Zeug?«
»Ich les dir mal was vor. Das Gedicht heißt: Wat is?. «
»Ich höre!«
»Wat is? / Wat soll sein? / Also nix. / Anä, da is doch wat. / Wenn wat wär? / Würd ich et dir saeng. / Anä, sonner bisse nich. / Da is wat. / Awat. /Beim ein brennti Birne durch. / Beim andern brennti Hose. / Also is doch wat. / Dat iset nich. / Abba wat is nu? / Nix is.«
»Weißt du was, Grappa«, sagte Jansen und seine Augen drückten pure Fassungslosigkeit aus. »Das Niveau unserer Leser ist bestimmt nicht höher als meins und ich hab selten so einen Schwachsinn gehört.«
»Aber so reden die Leute im Ruhrpott doch«, verteidigte ich den Dichter grinsend. »Frag mal meine Bäckersfrau!«
»Geh hin und schmirgele den Burschen ordentlich!« Jansen war noch immer geschockt. »Ich hab wirklich was dagegen, wenn die Leute so gemein verarscht werden.«
Maskiertes Dichterleben
Noch zwei Stunden bis zum Date mit der Stimme vonne Kaiserstraße. Betty Blue freute sich, mich zu sehen, hatte aber wenig Zeit, weil sie mit dem Prinzen zum Arzt musste. Der Kleine hatte sich wohl eine Erkältung eingefangen.
Sie hatte schon Rabatt als Kunden der Ischenko-Mädchen identifiziert, da konnte es nicht schaden, ihr das Konterfei des Dichters zu präsentieren. Ich zeigte es ihr.
»Häuptling Silberlocke«, sagte sie.
»Kennen Sie ihn?«
»Ja. Die Mädchen nannten ihn Häuptling Silberlocke. «
»Er war auch Kunde bei den Ischenko-Mädchen?«
»Ein guter Kunde«, erklärte sie und putzte dem Kleinen die Nase ab. Der Prinz war wieder quengelig. »Die kamen oft zusammen. Der Maler und er.«
Prima, ich wusste, was ich wissen wollte. Aber ich
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