Grappa 14 - Grappa und der Tod aus Venedig
auf«, sagte ich. »Und es steckt mehr dahinter, als es auf den ersten Blick scheint. Das sagt mir meine Nase – und auf die kann ich mich immer verlassen.«
Jansens Skepsis konnte mich von meiner Venedig-Idee nicht abbringen. Ich packte meine Sachen und fuhr nach Hause. Anneliese Schmitz schloss gerade ihren Laden zu, als ich in die Straße einbog. Sie erkannte mein Cabrio natürlich sofort und winkte mir zu. Ich hielt an und kurbelte das Fenster herunter.
»Frau Grappa, wie isses?«
Mal was anderes, den Dialog im Auto zu führen, dachte ich.
»Frau Schmitz, muss!«
»Was gibbet Neues?«
»Ein Dichter ist ermordet worden. Krawottki.«
»Der Name sagt mir nix«, meinte sie.
»Vielleicht mögen Sie keine Gedichte«, tröstete ich sie.
»Doch. Mag ich. Hab auch einen Kalender mit Gedichten. Jeden Tag ein neues. Und warum isser tot – wegen der Gedichte?«
»Nein. Es hängt mit dem Mord an Hunze zusammen. Können Sie morgen im Tageblatt nachlesen.«
»Prima«, freute sich die Bäckersfrau. »Warten Sie, Frau Grappa! Ich hab noch was für Sie!«
Sie schloss den Laden wieder auf, ich sah sie etwas einpacken und dann kehrte sie mit einer Tüte in der Hand zurück.
»Ihr Lieblingsbrot«, strahlte sie mich an. »Sie mögen es doch altbacken.«
»Bei Brot imma«, sagte ich und bedankte mich.
Zu Hause hatte Kati es sich gemütlich gemacht. Sie hatte sich mit Frauenzeitschriften eingedeckt, die jetzt über den Boden verteilt waren. Den Titeln entnahm ich, dass es um die neueste Sommermode und die Orgasmusfähigkeit der Frau ging.
»Dein neuer Chef scheint ja ganz nett zu sein«, sagte ich, die Unordnung ignorierend. »Kommst du gut mit ihm klar?«
»Weiß noch nicht«, wich sie aus. »Jedenfalls ist er ein ruhiger Typ. Nicht so aufgeblasen wie Rabatt.«
»Musik?« Ich wollte den Tag sanft ausklingen lassen.
»Ja, aber nicht diese Jammersachen, bitte.«
»Ich dachte aber genau an so was«, sagte ich. »Immerhin muss ich mich auf Venedig vorbereiten.«
»Wieso? Gibt es das Wiesengrundel-Zeugs denn schon auf CD?«
»Nein. Sein Venezianischer Zyklus ist ja gerade erst uraufgeführt worden. Ich dachte an Mahlers Adagietto aus der Fünften.«
»Mahler! Da kommen mir die Tränen.«
»Das macht nichts.«
»Und was hat der mit Venedig zu tun?«
»Eine Menge. Kennst du nicht den Visconti-Film nach der Mann-Novelle?«
Sie sah mich verständnislos an.
»Auch wenn du den Tod in Venedig nicht gelesen hast, solltest du den Film kennen. Dirk Bogarde. Visconti machte aus dem alternden Schriftsteller einen alternden Komponisten und nahm sich Mahler zum Vorbild. Deshalb das Adagietto. «
Jetzt dämmerte es ihr. »Ist das nicht so ein Schwulenfilm?«, fragte sie. »Alter Kerl ist scharf auf schönen Bengel?«
»Nein, höchstens ein Film über eine unerfüllte homoerotische Liebe. Aber eigentlich geht es um das Alter, die Würde, um Begehren und Verzicht ... und natürlich um die Liebe zum Schönen.«
»Ach, Grappa«, seufzte Kati. »Du erzählst manchmal so wunderschöne Sachen. Ob ich auch so viel weiß, wenn ich erst in deinem Alter bin?«
»Glaube nicht«, meinte ich trocken, während ich die Mahler-Sinfonie suchte. »Du guckst die falschen Programme im Fernsehen und liest die falschen Bücher. Außerdem bist du nicht so intelligent wie ich.«
»Sag, was ich lesen soll«, schlug sie mir vor.
»Okay. Lies Thomas Manns Der Tod in Venedig – und zwar Zeile für Zeile. Dann kriegst du schon mal eine Vorstellung davon, was Sprache kann.«
Das Adagietto erklang, Kati verzog das Gesicht, sagte jedoch erst mal nichts.
»Ja, das ist Liebe!«, meinte sie nach ein paar Augenblicken. »Genau so zieht sie manchmal im Magen, wie diese Musik gerade. Warum hält es eigentlich kein Mann bei dir aus, Grappa?«
»Wer behauptet denn so was?«, meinte ich verschnupft.
»Meine Mutter«, antwortete sie. »Aber sie meint es nicht böse. Sie beneidet dich sogar um deine Freiheiten. Mama hat immer jeden Mann gleich heiraten wollen. Ich bin da ja auch ganz anders, eher so wie du.«
»Du solltest aber nicht so sein wollen wie ich! Ich habe mich immer aus spontanen Anwandlungen heraus verliebt und genauso spontan bin ich aus diesen Beziehungen wieder ausgestiegen. Ich habe ein Näheproblem«, erklärte ich.
»Was ist denn das?«
»Lass uns einfach die Musik hören«, schlug ich vor. »Mir ist nicht nach Seelenstriptease.«
»Nun sag schon!«
»Wenn mir jemand nah kommen will, flüchte ich. Und wenn ich jemandem nahe kommen
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