Grappa 16 - Rote Karte für Grappa
noch jung, geh, Lieber! Und rühre mich nicht an. «
»Manchmal wollen auch junge Menschen sterben«, wandte sie ein. »Und die Alten hängen am Leben.«
»Sicher. Aber zum Trübsalblasen besteht kein Grund. Sie haben zwar Schlimmes erlebt, aber das ist vorbei – muss vorbei sein.«
»Das eine ist vorbei«, sagte sie mit Tränen in den Augen. »Und schon kommt das Nächste.«
Mein Blick fiel auf das Tageblatt auf dem Küchentisch. Heute hatte der Zeitungsdieb Zurückhaltung geübt. »Haben Sie die Zeitung schon gelesen?«
»Ja. Die Geschichte mit dem Fuß steht drin.«
Ich nahm die Brötchen aus der Tüte, holte Butter und Marmelade aus dem Kühlschrank und stellte alles auf den Tisch.
»Warum sollte jemand Toninho den Fuß abhacken?«, murmelte Margit.
»Es ist doch noch nicht sicher, dass es sein Fuß ist.«
»Er gehört ihm.«
Ich horchte auf.
»Der rote Lackschuh«, sagte sie und schlürfte etwas Kaffee.
»Was ist damit?«
»Es ist seiner.«
»Ein roter Lackschuh mit hohen Absätzen?«
Margit Sauerwald begann, hysterisch zu lachen. »Es war nur Spaß. Für den Karneval. Ninho besitzt ein rotes Tanzkostüm – mit Korsett, falschen Brüsten und Netzstrümpfen und diesen roten Schuhen. Er hat sie sich extra anfertigen lassen.«
»Verstehe. In dieser Größe kriegt man die nicht in jedem Laden.«
»Er hat Samba getanzt. Und sich Orangen ins Korsett gesteckt. Es war wirklich lustig, glauben Sie mir!« Jetzt hatte sie Tränen in den Augen und ihre Stimme war laut, kurz vorm Abkippen in einen Nervenzusammenbruch.
»Ich glaube Ihnen ja«, versuchte ich, sie zu beschwichtigen.
»Sie müssen ihn finden!«, schrie sie. »Vielleicht lebt er ja noch!«
»Die Polizei sucht ihn doch fieberhaft.«
»So einen Fuß kann man doch wieder annähen, oder?«
»Sicher. Wenn sie ihn frisch halten. Und der Rest des Körpers noch lebt.«
Margit Sauerwald hatte den Kopf auf den Tisch gelegt und schluchzte.
»Die Polizei macht eine DNA-Analyse. Ich fahre gleich in die Redaktion und sehe nach, ob das Ergebnis schon vorliegt. Und nun verraten Sie mir, was Ihnen Ninho bedeutet. Er ist für Sie mehr als eine Affäre, oder?«
»Ich liebe ihn«, gestand sie.
»Und er?«
»Er liebt mich auch.«
»Und die anderen Frauen?«
»Die spielen keine Rolle.«
Journalisten übertreiben
»Was hat die Sauerwald bei dir zu suchen?« Jansen empfing mich nicht gerade freundlich. »Warum gehst du nicht an dein Handy?« Es folgte: »Bist du komplett verrückt geworden?«
Das waren gleich drei schwierige Fragen auf einmal und ich hatte keine Lust, sie zu beantworten.
»Lass uns einen Kaffee in der Kantine trinken«, bat ich, denn die Redaktion füllte sich langsam und die Kollegen bekamen schon spitze Ohren, weil Jansen so in Fahrt war.
Er stimmte zu und wir verzogen uns an einen Tisch, der etwas abseits stand.
»Ich verstehe dich nicht, Grappa«, regte er sich weiter auf. »Die Polizei sucht das Mädchen! Sie ist auf dem Weg zu einer Privatklinik verschwunden, vielleicht sogar entführt worden – so steht es wenigstens in der Pressemitteilung.«
»Ich hab sie jedenfalls nicht entführt«, meinte ich. »Sie saß plötzlich auf meiner Treppe und ich habe sie reingelassen – das ist alles.«
»Und was wollte sie?«
»Sie ist unglücklich und wollte mit mir reden.«
»Klar. Deine warme, mütterliche Ader.«
»Die Ironie kannst du dir sparen«, meinte ich verärgert. »Ich hätte sie am liebsten zum Teufel gejagt. Die Kleine ist voll gestört, was ja auch kein Wunder ist. Kaputte Familie und dann noch dieser Kerl im Wald.«
»Und was hat dich – außer deinem guten Herzen natürlich – bewogen, sie nicht zum Teufel zu jagen?«
»Sie ist mit Toninho befreundet«, erklärte ich. »Behauptet, dass sie ihn liebt.«
»Die beiden ein Paar? Toninho hat es mit vielen Frauen getrieben«, gab Jansen zu bedenken.
»Das heißt gar nichts«, entgegnete ich. »Du weißt doch am besten, wie solche Geschichten zu Stande kommen. Journalisten übertreiben halt gern mal, wenn sich ein Promi mit jemandem sehen lässt.«
»Wie gut, dass du da ganz anders bist, Grappa!«
Ich überhörte den Spott. »Stimmt. Aber Margit ist nicht irgendein Groupie, mit dem Toninho sich abgegeben hat. Und sie hat Bemerkungen gemacht, die mich stutzig machen.«
»Und die wären?«
»Sie sagte: Alles passt zusammen, und: Das habe ich nicht gewollt. «
»Was meint sie damit?«
»Wenn ich das wüsste! Ich habe sie gefragt, leider ohne eine Antwort zu
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