Grappa 16 - Rote Karte für Grappa
Redaktionssekretärin die Post öffnete und den Inhalt sah, gefror ihr das Blut in den Adern: In einer durchsichtigen Plastiktüte befand sich ein abgetrennter Fuß.
War es eigentlich ein rechter oder ein linker Fuß gewesen? Leider hatte ich das Bild vom Inhalt der Tüte nicht mehr so genau in Erinnerung.
Das Körperteil gehörte nach ersten Erkenntnissen einem Mann, der im wahrsten Sinne des Wortes auf großem Fuß lebte: Er hat mindestens Schuhgröße 45. Weitere Auffälligkeiten: schwarze Hautfarbe und ein ungewöhnlicher Schuhgeschmack. Der Fuß steckte in einem knallroten Lackschuh mit hohen Absätzen.
Die Spurensicherer der Kriminalpolizei beschlagnahmten die Sendung und brachten den abgetrennten Körperteil in die Gerichtsmedizin. Zu wem er gehört und ob sein ehemaliger ›Besitzer‹ noch lebt, ist noch nicht bekannt.
Gerüchte, dass die Sendung mit der Entführung des brasilianischen Fußballspielers Toninho in Zusammenhang stehen könnte, wollte die Polizei nicht kommentieren, bevor eine Analyse vorliegt.
Jansen segnete den Artikel ab und wir entschlossen uns, ein Bild des Stürmers zu veröffentlichen. Unter dem Porträt würde geschrieben stehen: Gehört der amputierte Fuß der schwarzen Gazelle von Rio? Noch immer keine Spur von Toninho.
Den Rest des Tages surfte ich im Internet. Vielleicht gehörte das Amputieren eines Fußes zu einem mir unbekannten Ritual.
Es gab viele Einträge zu Amputationen jeglicher Art, aber nichts brachte mich weiter. Es gab sogar ›Rezepte‹. Diese waren allerdings nicht so ganz ernst gemeint und stammten von einer Halloween-Seite:
Aus einem Kilo Schweinemett wird ein großer Fuß geformt. Je nach Geschicklichkeit kann man die Zehen sehr detailliert oder eher modellartiger ausformen. Als Zehennägel kann man zugeschnittene Zwiebelschichten verwenden. An der Stelle, wo sich der Amputationsschnitt befindet und der Knochen zu sehen sein sollte, wird eine Lauchstange hineingesteckt.
Soll es richtig ekelhaft sein, kann man auch noch etwas rote Lebensmittelfarbe über den Fuß geben. Sieht fies aus, kommt aber gut an.
Da ich Anhängerin traditioneller Kochrezepte bin, überstieg das meine Schmerzgrenze. Die Beschäftigung mit Rezepten stimulierte aber trotzdem meinen Appetit. Ich schaute auf die Uhr. Ich hatte noch genügend Zeit, etwas Leckeres einzukaufen. Schweinemett stand jedoch nicht auf der Einkaufsliste.
Ein Bett für Margit
Was bleibt Frauen ohne Ehemann oder Liebhaber, Haustier und anderen Anhängseln anderes übrig, als sich mit gutem Essen und schönem Trinken zu verwöhnen? Mit zwei schwer bepackten Tüten schleppte ich mich die Treppen hinauf.
Der Aufzug war auf irgendeiner Etage stehen geblieben. Das Flurlicht funzelte, eine Lampe war kaputt. Schon im ersten Stock ging mir die Puste aus.
Vor meiner Wohnungstür setzte ich die Tüten ab und kramte in der Handtasche nach meinem Schlüssel. Prompt ging das Licht ganz aus, ich hatte meine Hände in der Tasche und fingerte weiter nach dem Schlüsselbund. Ein Geräusch schreckte mich auf. Schnell drückte ich den Lichtschalter und sah eine Gestalt. Sie kauerte auf der Treppe.
»Was machen Sie denn hier?«, fragte ich entgeistert. Im Krankenhaus hatte ich sie geduzt, aber nun kam mir das plötzlich deplatziert vor.
»Ich wusste nicht, wohin«, sagte Margit Sauerwald.
Ich schloss die Wohnungstür auf.
Sie hatte sich erstaunlich schnell erholt – von den blauen Flecken war nicht mehr viel zu erkennen. Jetzt sah sie dem Foto auf der Fanseite im Internet ähnlicher – eine junge, hübsche Frau, einfach gekleidet und fast unauffällig.
»Warum kommen Sie gerade zu mir?«, fragte ich.
Unsere kurze Bekanntschaft im Krankenhaus konnte wohl kaum dazu geführt haben, mir zu vertrauen. Ich hatte sie ihre Geschichte erzählen lassen und war danach verschwunden, ohne mich zu verabschieden. Und am nächsten Tag hatte ich mein Wissen der Öffentlichkeit mitgeteilt. Nicht gerade die klassische Grundlage für eine Freundschaft.
»Sie haben im Krankenhaus doch gesagt, dass Sie mir helfen wollen.«
Ja, das hatte ich gesagt. Dahingesagt. Um an Informationen zu kommen.
»Sie wissen ja wohl inzwischen, dass ich bei einer Zeitung arbeite«, ging ich in die Offensive.
»Ich habe den Artikel gelesen«, antwortete sie. »Es ist mir aber egal, was über mich geschrieben wird.«
»Ihrer Familie ist das bestimmt nicht egal. Warum sind Sie nicht bei Papa und Mama?«
Sie schwieg.
»Wann haben Sie zuletzt was gegessen?«,
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