Grappa 16 - Rote Karte für Grappa
früh in die Redaktion, hatte noch nicht gefrühstückt und begab mich – mit Zeitungen eingedeckt – in die Kantine. Dort turtelte die Wirtin mit ihrer neuen Liebe. Der Mann brachte und holte seit Jahren die Getränkekisten, jahrelang hatten sich die beiden so gut wie nicht zur Kenntnis genommen – bis zu jenem Tag, als es beim Austausch von Leergut funkte.
Ich nahm mir ein Brötchen mit Käse und Gewürzgurke aus der Auslage, warf einen Euro in den Kaffeeautomaten, wartete, bis der Becher voll war, und verzog mich an einen Tisch, möglichst weit entfernt von dem verliebten Paar. Benahm ich mich auch immer so bekloppt, wenn ich entflammt war?
Wenn das hier vorbei ist, dachte ich, machst du Urlaub. Vielleicht in Brasilien. Da sind nicht nur die Frauen locker drauf, sondern auch die Männer. Triebhafte Machos sind das, die von einem Mädchen nur das eine wollen, warnten mich die Gespenster aus dem Nonnenkloster, in dem ich zur Schule gegangen war. Oft will ich aber auch nur das Eine, schleuderte ich den Geistern entgegen. Diese verzogen sich beleidigt.
Jemand stieß mit Schwung die Kantinentür auf. Simon Harras. Er trug eine neue Kreation seiner Tante am Leib – unzählige Punkte in Bonbonfarben, die jeder Fernsehstörung zur Ehre gereicht hätten.
»Jetzt kommt Stimmung in die Bude«, polterte er los. »Beziehungsweise Samba. Ein Sonderermittler aus Rio rückt an, um nach Toninho zu suchen. Die halten unsere Polizei für unfähig.«
»Die haben es gerade nötig«, hielt ich die deutsche Nationalflagge hoch.
»Ich kenne den Mann, den sie schicken«, behauptete der Reporter. »Ein Wahnsinnstyp! Der ist so was wie James Bond auf Brasilianisch.«
»Bestimmt auch so ein Macho mit Ego-Problemen«, seufzte ich. »Und woher kennen Sie den Mann?«
»Eckermann ist Fußballfan. Genau wie ich. Wir sind uns vor Jahren in Rio auf einem Workshop begegnet. Er hielt einen Vortrag über Ethik im Fußball.«
»Das muss aber ein kurzer Vortrag gewesen sein«, brummte ich.
»Wieso?«
»Hat Ethik nicht was mit Moral zu tun?«, vergewisserte ich mich.
»Theoretisch schon.«
»Eben. Theoretisch. Sieht der Kerl wenigstens gut aus?«
»Ich sehe besser aus«, grinste Harras und kratzte in seinem Bart herum. »Und ich trage die schöneren Pullover.«
Jansen wollte ein Foto von der Anreise des James Bond für Arme – und zwar exklusiv. Die fest angestellten Knipser waren unterwegs zu Terminen und nicht erreichbar.
»Ich ruf den Bluthund an«, schlug ich vor. »Pöppelbaum.«
»Was findest du nur an dem Typen?«, fragte Jansen.
»Sein bester Charakterzug ist, dass er vierundzwanzig Stunden im Dienst ist. Keine Mittagspause, keine 37,5-Stunden-Woche. Und er ist dankbar, wenn er für mich arbeiten darf.«
Pöppelbaum erwartete mich am Airport. Da in Bierstadt keine Flüge aus Brasilien ankamen und abgingen, musste der Mann aus Rio die Stadt über einen Zubringerflug erreichen, und das ging nur über München.
»Wir warten hier in der Halle«, schlug ich dem Fotografen vor. »Geh du ganz nach rechts, ich bleibe links. Dann können wir ihn sehen, wenn er anrauscht. Du hebst den Arm, wenn du einen siehst, der aus Brasilien kommt.«
»Und wie sieht einer aus, der aus Brasilien kommt?«, fragte Wayne.
»Er trägt einen Lendenschurz und hat Papageienfedern im Haar«, meinte ich ernst.
»Echt?«
»Heilige Einfalt! Achte einfach auf Brinkhoff, der holt ihn nämlich ab«, rief ich ihm im Laufen zu. Obwohl der Flughafen nicht besonders groß war, gab es mehrere Flugsteige. Durch die Verglasung konnte man den Sicherheitsbereich einsehen.
Die Tafel zeigte an, dass die Maschine aus München vor wenigen Minuten gelandet war. Schon strebten angekommene Passagiere dem Ausgang zu. Ich stürzte auf eine Mutter mit Kind zu und fragte, ob sie aus München käme. Sie bejahte. Ich wollte einen Blick mit Wayne tauschen, konnte ihn aber nicht entdecken, da sich die Halle nun mit Menschen gefüllt hatte. Der Trottel suchte wahrscheinlich am falschen Flugsteig.
»Frau Grappa«, sagte eine Stimme in meinem Rücken. Es war Brinkhoff.
»Hallo, Herr Brinkhoff«, sagte ich. »Wollen Sie jemanden abholen?«
»Sieht so aus«, antwortete er. Seine Blicke wanderten hinter das Glas, schienen sich aber nirgendwo festzuhaken.
Nun bemerkte ich im Augenwinkel Wayne Pöppelbaum. Er hielt sich verborgen, hatte die Kamera aber schussbereit in der Hand.
»Mein Besuch scheint doch nicht in der Maschine gewesen zu sein«, meinte der Hauptkommissar.
»So ein
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