Grappa 16 - Rote Karte für Grappa
am Zigarettenautomaten rechts zur Bar«, schallte es aus einem Lautsprecher.
Die Stufen waren steil und schlängelten sich durch ein enges Treppenhaus nach oben. Die Wände waren dunkelrot gestrichen, in den Ecken funzelte Licht aus Birnen, die in barocke Goldleuchter geschraubt worden waren.
Da war der Zigarettenautomat und ich hörte schwülstige Musik. An der Bar saß eine mittelalte Frau, ein junges Mädchen in Diskokleidung kramte gerade in einem Kühlschrank herum und ein Mann, etwa Ende fünfzig, redete leise auf die Barfrau ein.
»Hallo«, sagte ich. »Ich bin Maria Grappa vom Tageblatt. Wer ist denn der Boss hier?«
»Ich«, sagte die Frau. »Mein Name ist Esther Klein.«
Verblüfft musterte ich sie. Ihr Äußeres entsprach nicht dem Klischee einer Puffmutter: Sie trug ein dunkles Schneiderkostüm mit einer geblümten Bluse.
»Sie wollen etwas über den Streit in dieser Straße wissen?«, fragte sie.
»Ja, mich interessiert, was die Leute an Ihrem Club so stört.«
»Es stört sie, dass ich Zimmer an Straßenmädchen vermiete. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
Ich wählte ein Glas Sekt und blickte mich um. Hier sah es aus wie in einer normalen Bar: Hocker, ein paar Tische mit Kerzenlicht, an den Wänden Drucke mit erotischen Motiven: nackte Paare, Hand in Hand, auf das offene Meer schauend, an dessen Horizont gerade die Sonne unterging. Das Wildeste war eine Darstellung aus dem Kamasutra, zwei Frauen und ein Mann, die unzählige Arme und Beine zu haben schienen, die unauflösbar ineinander verhakt waren.
»Wen genau stören Sie denn nun?«, fragte ich.
»Die Werbegemeinschaft und den Holzkopf von gegenüber«, antwortete Esther Klein und prostete mir zu.
»Können die Ihnen denn schaden?« Ich nahm einen Schluck Sekt.
»Nein, nicht wirklich. Aber Ärger können sie mir schon machen. Ich habe das Haus gemietet und den Hotelbetrieb ordnungsgemäß angemeldet. Der Club liegt außerhalb des Sperrbezirks – also hat eigentlich alles seine Ordnung.«
»Wie viele Mädchen arbeiten hier?«, fragte ich.
»Ich habe keine festen Mädchen. Ich vermiete nur Zimmer an die Frauen vom Straßenstrich. Eine halbe Stunde zehn Euro. Sehen Sie!«
Esther Klein deutete auf einen Monitor, der zwischen den Flaschen im Regal stand. Ein Mann und eine Frau näherten sich der Tür, eine Klingel war zu hören und eine andere Frau machte den beiden die Tür auf.
»Ulrike ist eine meiner Angestellten«, erklärte Esther. »Sie nimmt das Geld entgegen und bringt die Besucher aufs Zimmer. Wenn sie fertig sind, wird das Laken abgezogen und aufgeräumt.«
Das Pärchen war vom Monitor verschwunden.
»Das Haus hat dreißig Zimmer«, fuhr Esther Klein fort. »Aber um diese Uhrzeit ist noch nicht besonders viel los. Sie hätten am letzten Samstag kommen sollen. Da hatte ich eine Gruppe aus Italien hier. Fünfzehn Herren. In Bierstadt fand ein Eis-Kongress statt.«
»Wie bitte?« Ich hatte Eis verstanden.
»Speiseeis. Einmal im Jahr treffen die sich hier. Sie legen die neuesten Trends für den Sommer fest. Die Geschmacksrichtungen. Im kommenden Jahr soll übrigens Marzipaneis der Renner werden.« Sie lachte.
»Und wo hatten die Italiener die Frauen her?«
»Die habe ich besorgt«, antwortete Esther. »Ich kenne ja genug.«
Ein junges Mädchen betrat die Bar. Sie wirkte verfroren, trug eine kurze Lederjacke, darunter nur einen BH mit Spitzen. Der Bauch war frei, der Rock nur ein schmaler Streifen, aus dem zwei lange, schlanke Beine in Overknee-Lackstiefeln verschwanden.
»Scheißwetter«, sagte sie. »Habt ihr mal einen Kaffee?«
»Hallo, Tanja«, sagte Esther. »Wie läuft's?«
»Mies.« Tanja zog einen Flunsch und sah mich misstrauisch an.
Esther hatte ihren Blick bemerkt und erklärte: »Das ist eine Journalistin. Sie schreibt über den Strich und über den Stress, den wir haben.«
»Der Holz-Heini kann uns mal«, sagte Tanja und hauchte sich warmen Atem in die verkühlten Fäuste. »Wo sollen wir denn sonst hin? In die dunkelsten Ecken der Stadt? Die 22-Uhr-Grenze macht uns das Geschäft eh schon kaputt.«
Tanja nahm den heißen Kaffee im Empfang und trank ihn in kleinen Schlucken.
»Die fetten Jahre sind vorbei«, sagte Esther Klein in meine Richtung. »Zu viele Mädchen, zu wenig Freier, die noch dazu zu wenig Geld haben.«
»Früher«, ergänzte Tanja, »hab ich einen Tag die Woche hier gestanden und das hat gereicht, da ist ordentlich was hängen geblieben. Jetzt steh ich hier schon drei Abende
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