Grappa 16 - Rote Karte für Grappa
nacheinander und null Komma nix. So ist das. Das kannst du gerne schreiben.«
»Warum machst du das denn überhaupt, wenn nichts dabei rauskommt?«, fragte ich. »So ein Job ist doch öde und gefährlich.«
»Ich mach's auch nicht mehr lange«, grummelte sie. »Nur noch für die neue Küche. Dann hab ich alles komplett.«
»Und dann? Hast du was gelernt?«
»Versicherungskauffrau.« Tanja lachte rau. »Abgebrochen. Langweilige Sache. Nur im Büro. Ich würde gern im Kindergarten arbeiten. Erzieherin oder so.«
O weia, dachte ich.
»Früher durften wir schon ab acht Uhr abends hier stehen. Die Freier kamen gleich nach der Arbeit und erzählten zu Hause was von Überstunden. Jetzt dürfen wir erst ab zehn arbeiten. Viel zu spät – da muss Papa schon zu Hause bei seinem Muttchen sein.«
Tanja trank den Kaffee aus und rutschte vom Barhocker. »Ich muss mal wieder. Hilft ja alles nix. Wie viel kriegst du für den Kaffee?«
»Lass mal«, sagte Esther. »Und pass auf dich auf.«
»Vielleicht komm ich ja gleich schon wieder«, grinste Tanja. »Mit 'nem Traumprinzen. Mach schon mal das goldene Zimmer fertig, Esther.«
Auf dem Monitor konnte ich Tanja beobachten, wie sie auf ihren langen Beinen durch die Tür nach draußen stiefelte.
»Wieso heißt das eigentlich Lustgewerbe?«, fragte ich.
»Den Ausdruck haben bestimmt Männer erfunden. Ich zeige Ihnen gern mal die Zimmer, wenn Sie mögen«, bot Esther an. »Natürlich nur die, die nicht belegt sind.«
Ich folgte ihr. Die Reinigungskraft kam uns entgegen, im Arm zerknüllte Laken und einen Abfallbeutel.
»Das ist unser goldenes Zimmer«, sagte Esther und öffnete die Tür. Ein breites Bett mit goldfarbenem Himmel, rechts und links zwei Nachttischchen, auf denen Küchenrollen lagen, eine Stehlampe mit breitem Schirm. Die Wände waren mit Goldfarbe grundiert und mit filigranen Blumen verziert.
»Hübsch«, meinte ich. »So richtig gemütlich.«
Esther lächelte. »Sie können aber nicht wirklich verstehen, dass man mit so was seinen Lebensunterhalt verdient, nicht wahr?«
»Ich lerne gern dazu. Sie sehen selbst nicht aus wie eine ... Bordellbetreiberin.«
»Ich weiß. Wenn ich gefragt werde, was ich mache, sage ich immer, dass ich Geschäftsfrau bin. Was ja auch stimmt.«
Sie zeigte mir noch andere Zimmer. Sie waren allesamt sauber und neu möbliert und für die Mädchen sicherlich ein angenehmeres Ambiente als ein Autositz oder ein dunkler, einsamer Parkplatz.
»Ein gefährlicher Job. Ist schon mal was passiert in dieser Straße?«
»Manchmal schlagen die Freier eine Frau zusammen. Oder zahlen nicht. Das ist dann übel.«
»Toleriert die Polizei das alles?«
»Wenn alles friedlich abläuft, schon«, meinte Esther. »Der Mann, der in der Bar saß, als Sie kamen, war einer von der Sitte. Er kommt oft hierher, trinkt ein Bier und verschwindet wieder. Wir können uns voll auf ihn verlassen.«
Die Schelle ging. Jemand begehrte Einlass.
»Lassen Sie uns wieder nach nebenan gehen«, sagte sie. »Da hab ich die Besucher besser im Auge.«
Wir kehrten in die Bar zurück. Das Mädchen hinter dem Tresen war noch immer allein und hielt sich an einem Mineralwasser fest. Auf dem Monitor waren zwei Gestalten zu erkennen.
»Das ist ja Tanja!«, rief Esther. »Da hat sie tatsächlich jemanden abgeschleppt.«
Esther drückte auf den Knopf und unten sprang die Tür auf. Tanja ging voraus, gefolgt von ihrem Freier. Der Mann war groß und massig. Und obwohl der Monitor die Bilder schwarz-weiß zeigte, erkannte ich das wilde Muster seines Pullovers wieder. Tanjas Kunde war Simon Harras!
Während ich noch darüber nachdachte, wie ich mich verhalten sollte, betraten Tanja und Harras die Bar. Ich rutschte vom Hocker und sah ihm direkt in die Augen. Mein Kollege zeigte keine Reaktion.
Tanja bestellte Wein.
»Den besten, den du hast«, meinte die junge Frau mit einem Blick auf ihren neuen Kunden. »Und wir nehmen das goldene Zimmer.«
Sie packte die Flasche und die Gläser.
»Dann mal los, Süßer!«
Harras trottete hinter seiner Dienstleisterin her.
»Stammkunde?«, fragte ich, den beiden ungläubig hinterherschauend.
»Noch nie gesehen«, antwortete Klein.
»Sieht ziemlich normal aus, der Typ«, meinte ich und versuchte, mein Erstaunen zu überspielen. »Gar nicht wie einer, der zum Straßenstrich fährt.«
»Warum auch nicht? Die sehen immer normal aus. Oder glauben Sie, ein Kerl, der zu Huren geht, trägt ein Schandmal auf der Stirn?«
»Nein, natürlich
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