Grappa 16 - Rote Karte für Grappa
aus dem Zimmer.
»Diese dämliche Kuh«, seufzte ich aus vollem Herzen.
»Aber sie hat leider Recht«, meinte Beate resigniert. »Es passt alles nicht zusammen.«
»Wo habt ihr das Zeug gefunden?«
»Ich verstehe nicht.«
»Das Sperma. In ihr? Oder wo?«
»Auf ihr.«
»Erinnerst du dich, was die Sauerwald gerade gesagt hat? ›Sein Sperma wurde auf ihr gefunden.‹ Geht man bei einer Vergewaltigung nicht automatisch davon aus, dass das Sperma beim Abstrich gefunden wird? Also innerhalb des Körpers und nicht auf ihm?«
»Vielleicht habe ich mal erwähnt, dass das Sperma des Täters auf Margits Kleidung gefunden worden ist«, überlegte Beate. »Ich kann mich nicht mehr so genau erinnern. Außerdem kann es Margit erzählt haben oder ein Arzt. Da gibt es viele Möglichkeiten.«
»Sie wusste es jedenfalls und das kommt mir irgendwie merkwürdig vor. Und jetzt rufst du deinen Kollegen an.«
»Welchen Kollegen?«
»Den Witzbold von neulich. Der sich einen Scherz auf Kosten seiner erfolglosen Kollegin machen wollte.«
Der Tod und das Mädchen
Eine Stunde später kehrten die Suchtrupps der Polizei zurück. Sie hatten Margit Sauerwald tot im Schnee gefunden. Sie war nur mit einem Nachthemd bekleidet in den Wald gelaufen und hatte sich hinter eine Schonung gekauert. Sie war erfroren.
In den Ohren steckten noch die Kopfhörerstöpsel, die zu ihrem MP3-Player gehörten. Sie hatte das Gerät fest in der Hand gehalten. Erika Sauerwald brach schreiend zusammen, ein Arzt musste sich um sie kümmern.
Marcel Sauerwald rastete aus, beschuldigte seinen Freund Professor von Siebenstein der Verletzung seiner Aufsichtspflicht und drohte ihm ewige Verdammnis und finanziellen Ruin an.
Mir liefen die Tränen herunter, als Margit – verhüllt von einer Decke – in einen Leichenwagen geschafft und weggebracht wurde.
Jansen wartete in der Redaktion auf mich. Ich hatte ihn aus der Klinik angerufen und er hatte mir fünfzig Zeilen in der Ausgabe des nächsten Tages freigehalten. Die Zeit drängte, denn bald musste das Blatt in Druck gehen.
»Da bist du ja«, brummte er. »Ich hab deinen PC schon hochgefahren. Also los. Darf ich dir beim Schreiben über die Schulter gucken? Du hast dich ja bisher ausgeschwiegen.«
»Margit Sauerwald ist tot«, sagte ich. »Sie ist in den Wald gelaufen und erfroren.«
»Verdammt!«, meinte er bestürzt.
Ich begann zu schreiben.
Backende Bierschwester
Stimmte es wirklich, dass der Tod durch Erfrieren ein sanfter Tod ist? Irgendwo hatte ich das gelesen. Nach einer Weile der totalen Unterkühlung spürt der Körper angeblich nichts mehr – keine Schmerzen, keine Angst, nichts. Von wunderbaren Halluzinationen wird erzählt und dann folgt ein langsames, entspanntes Dahindämmern bis zum Ende.
Margit Sauerwald hatte beim Sterben Musik gehört, die Hand um den Player gelegt – ihn wärmend, damit er bei der Eiseskälte den Geist nicht aufgab und ihre Musik abspielte.
Es war spät, ich hatte den Bericht sachlich gehalten und lediglich die Umstände geschildert. Trotzdem hatte ich Rotz und Wasser geheult. Jansen reichte mir stumm die Tücher einer Papierrolle, die er aus der Kaffeeküche geholt hatte.
Im Bad sah ich in den Spiegel und entdeckte, dass meine Falten um Augen und Mund tiefer geworden waren in den letzten Tagen. Der Winter bekam mir nicht. Noch nie hatte ich mich so nach Sonne, Wärme und Heiterkeit gesehnt.
Als wäre mein Sehnen erhört worden, war Bierstadt am nächsten Morgen in gleißendes Licht getaucht, der Schnee begann zu tauen und überall hörte ich Wasser fließen oder tropfen. Die Temperaturen waren mit einem Schlag um sieben Grad gestiegen.
Im Radio war die Nachricht von Margit Sauerwalds tragischem Ende die Spitzenmeldung der Regionalschau – alle schoben die Schuld an ihrem Tod dem Mann zu, der sie vor Wochen überfallen hatte.
Das ist wirklich eine einfache Lösung, aber nicht die Wahrheit, dachte ich.
Ich duschte heiß und machte mich ausgehfertig. Meine Falten präsentierten sich etwas weniger tief und ich atmete auf. Mein desolates Äußeres hatte wohl doch nur am ungünstigen Licht und meiner gestrigen Erschöpfung gelegen.
Ich stürzte einen Becher Kaffee hinunter und ging zum Auto. Mir war nach Gesellschaft. Anneliese Schmitz besaß ja ein gemütliches Bistro, das ein üppiges Frühstück offerierte.
»Hallo, Frau Schmitz«, meinte ich – wieder besser gelaunt. »Heute darf's ein bisschen mehr sein. Einen Teller Rührei mit Speck,
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