Grappa 16 - Rote Karte für Grappa
bitte.«
»Rührei?«, fragte die Bäckersfrau. Lag leichte Missbilligung in dieser Frage?
»Ja, klar. Und zwar eine ordentliche Portion.«
»Sie haben doch noch nie Ei bestellt«, meinte sie.
»Heute schon. Bevor die nächste Vogelgrippewelle anrollt.«
Plötzlich strahlte sie. »Und ich dachte schon, Sie mögen mein Rührei nicht.«
Zufrieden verschwand sie in der Küche und wenig später hörte ich den Speck in der Pfanne brutzeln.
»Gibt's was Neues in Sachen Brötchenstand?«, fragte ich, als sie mir die Leckerei auftischte.
»Ich habe endgültig eine Absage gekriegt«, antwortete Anneliese Schmitz. »Die anderen haben den Böhme ordentlich geschmiert. Das kann der Moritz nicht und ich will es nicht.«
»Jetzt hat er ja nichts mehr davon«, meinte ich. »Weil er tot ist.«
»Moritz?«, fragte sie erschreckt.
»Böhme.«
»Geld macht eben nicht glücklich.«
»Das Mädchen ist auch tot«, sagte ich. »Erfroren im Wald.«
»Ich hab's gelesen. Schlimme Sache. Sie müssen den Kerl kriegen, Frau Grappa!«
»Sie meinen den Typen, der sie überfallen hat?«, vergewisserte ich mich.
»Ja. So ein junges armes Ding. Kennen Sie eigentlich die Mutter der Kleinen?«, fragte die Bäckerin neugierig.
»Allerdings.«
»Wissen Se, Frau Grappa, in meinem Club ist eine Schwester, die kennt eine, die bei Sauerwalds putzt. So um drei Ecken.«
»Club?«
»Mein Kegelclub. Die Bierschwestern «, lächelte sie. »Und die Schwester sagt, die Mutter hatte was mit dem Schwatten.«
»Hab ich auch von gehört«, entgegnete ich. »Kann ich noch einen Pott Kaffee haben?«
»Wenn ich ein Krösken mit dem Freund meiner Tochter hätte«, sagte Anneliese Schmitz und füllte die Tasse, »dann tät ich mich schämen.«
»Und das wissen Sie alles von Ihrer Kegelschwester?«, fragte ich ungläubig. Verdammt, dachte ich, da recherchierst du dir einen Wolf und ahnst nicht, dass du die komplette Geschichte bei Frau Schmitz abgreifen kannst.
»Genau. Es gab oft Ärger zwischen Tochter und Mutter – hat sie erzählt.«
»Krach kommt in den besten Familien vor«, sagte ich. »Und das erklärt noch lange nicht, warum das Mädchen und der Fußballer tot sind. Dahinter steckt noch mehr als ein bisschen Zank und Streit.«
»Dann finden Sie's heraus, Frau Grappa!« Es klang fordernd, so als würde sie mir einen Auftrag erteilen.
»Wird gemacht, Frau Schmitz«, versprach ich.
»Die Wahrheit muss doch imma ans Licht. Das ist eben so.«
Alle Männer sind Fahrlehrer
Leider erwies sich die Wahrheitssuche in den nächsten Tagen als ausgesprochen zäh, denn alle Welt schien in den Weihnachtstrubel abzutauchen.
Ich bemühte mich, alle Gedanken an das Fest der Liebe und des Kitsches zu verdrängen.
Dann kam der Morgen, an dem die Belegschaft in der Redaktion fast halbiert war – die berühmten Brückentage hatten das Großraumbüro verwaisen lassen.
Aber Jansen war da. Auch er war voll in Festtagslaune. Er nahm meine Antistimmung nicht zur Kenntnis, trällerte Weihnachtslieder und machte auf gesellig.
»Hör bitte auf mit diesem himmlischen Gesülze«, zickte ich ihn an. »Das ist ja grauenhaft.«
»Wieso? Du bist doch diejenige, die auf Klassik steht.«
»Klassik schon, aber nicht auf so ein unsägliches Katzengejammer.«
»Aber Grappa! Warum kaufst du dir keine Tanne?«, fragte er. »Und hängst ein paar Kugeln dran? Oder Lametta?«
»Lametta ist schon lange verboten«, stellte ich klar. »Wegen der Bleibelastung.«
»Dann wirf deine Dessous über die Zweige«, kicherte mein Chef, »oder klemm deine leeren Weinflaschen dran.«
»Ich kann dir sagen, was ich mache«, setzte ich zur Gegenoffensive an. »Ich geh gleich ins Feinkostgeschäft, kaufe ein, fahre nach Hause und schließ die Tür ab. Morgen stehe ich spät auf, suche mir eine schöne Musik aus, esse und trinke. Irgendwann falle ich dann ins Bett und wache am nächsten Morgen auf, habe drei Pfund zugenommen und einen dicken Schädel.«
»Armes Mädchen. Du bist herzlich eingeladen«, meinte er ernst. »Komm doch einfach zu uns. Gerda und die Kinder freuen sich bestimmt. Beate macht bald Abitur.«
»Hast du es eigentlich jemals bereut, sie adoptiert zu haben?«
Jansen ließ sich in einen Stuhl fallen.
»Ach, Grappa«, meinte er. »Damals war ich ja ein bisschen sauer, dass du mir das Kind so ... aufgedrängt oder – sagen wir lieber – ans Herz gelegt hast. Ich dachte, dass ein Kind, das so viel Schreckliches erlebt hat, sich niemals wieder davon erholt. Beate ist
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