Grappa 16 - Rote Karte für Grappa
Kollege auf die tolle Idee, mich zu verarschen. Niemand konnte schließlich wissen, dass es ein Treffer sein würde.«
»Der Anrufer wusste es aber besser«, folgerte ich. »Natürlich ist der Anruf nicht aufgezeichnet worden, oder?«
»Es war kein Notruf, sondern ein normaler Anruf übers Festnetz. Eine Männerstimme, wie es sie zu Millionen gibt.«
Die Herren hatten ihre Sklavenarbeit erledigt.
»Oje«, seufzte ich beim Anblick des Küchenchaos. »Ihr solltet die Zwiebeln und den Speck fein hacken – aber nicht mit dem Beil! Und die Möhren habt ihr geschnitzt statt geschält. Irgendwas stimmt mit eurer Motorik nicht.«
»Es war von groben Arbeiten die Rede«, meinte Eckermann. »Die Feinheiten für die Ladys. Bitte schön!«
Er verbeugte sich, packte die Flasche Sekt, die fast leer war, und ging Richtung Wohnzimmer. »Jetzt seid ihr dran, Weiber.«
Ich sah ihm nach. Irgendwas gefiel mir an ihm, auch wenn mir gerade nicht einfallen wollte, was es sein könnte. Unser Start war leider so miserabel gewesen, dass der Rückstand nicht mehr aufzuholen sein würde – es sei denn, er würde die nächsten dreißig Jahre in Bierstadt bleiben.
»Warum ruft jemand anonym an, um Toninho der Vergewaltigung zu bezichtigen?«, fragte ich, während ich die Eier für die Gratinsoße in eine Schüssel schlug. »Wer konnte wissen, wessen Genmaterial nach dem Überfall gefunden wurde?«
»Toninho, Margit oder ein Augenzeuge«, sagte Beate. »Oder jemand, dem Toninho oder Margit oder der Augenzeuge Einzelheiten erzählt hat.«
»Wer immer es auch war – er wollte, dass du es erfährst.«
»Grappa! Sag mir lieber, was ich tun soll, damit das Essen schneller fertig wird. Die beiden Kerle im Wohnzimmer haben Hunger – und ich auch.«
»Du kannst schon mal die Wachteln putzen«, sagte ich und schob ihr die Vögel hin. »Zupf mit einem kleinen Messer die restlichen Federn aus und schneide ihnen Köpfe und Füße ab.«
»Igitt.«
»Das will ich jetzt aber nicht gehört haben«, meinte ich. »Du wirst dir die Finger lecken, wenn sie – sanft in Butter angebraten – vor dir auf dem Teller liegen.«
Sie machte sich widerstrebend über die Vögel her.
Ich hatte für jeden zwei gekauft und überlegte, welche Füllung ich nehmen sollte. Viel ging in die kleinen Tierchen ja nicht hinein, aber eine gut gewürzte Farce verlieh dem Geschmack des zarten Fleisches etwas Raffinesse.
Ich schlug ein Ei auf, hackte Kräuter und Knoblauch, vermischte alles. Noch ein eingeweichtes Brötchen dazu, Pfeffer und Salz – fertig.
»Wer wollte Toninho den Überfall in die Schuhe schieben?«, überlegte ich erneut. Meine Finger waren klebrig vom Pellen der Knoblauchzehen. »Aber wenn er es nicht gewesen ist, wie kommt dann sein Sperma an den Tatort?«
»Ein Superthema habt ihr beim Kochen«, sagte Harras. Er stand mit leerem Glas im Türrahmen. »Hoffentlich schlägt sich das nicht aufs Essen nieder.«
Zwei Stunden später war alles Schwere von mir abgefallen und die Toten konnten mir – wenigstens heute Abend – gestohlen bleiben. Von den Wachteln waren nur noch die Knöchelchen übrig, das Gratin war aus der Form gekratzt und eine hübsche Anzahl an Wein- und Sektflaschen war geleert worden.
Simon Harras hatte seinen Kopf in Beate Schlichts Schoß gelegt. Die beiden waren ein merkwürdiges Paar – die schmale, hagere Frau mit ihren schwarzen Stoppelhaaren und der mollige Sportreporter mit dem Hang zu grellen Farben.
Adriano Eckermann entpuppte sich als charmant-ironischer Zeitgenosse, viel weniger eklig, als es erst den Anschein gehabt hatte. Ich schob es auf die fortgeschrittene Zeit und den vielen Wein, dass er mich anstarrte und anfing, über meine sarkastischen Scherze zu schmunzeln.
Noch ein Brasilianer
Die Weihnachtstage hatte ich einigermaßen überstanden. Jansen überredete mich, meinen Resturlaub zu nehmen und erst im neuen Jahr wieder in der Redaktion aufzutauchen.
Silvester und Neujahr standen bevor, Tage, an denen das Fernsehprogramm noch schlechter und die Winterdepressionen noch tiefer waren als während der Festtage. Ich telefonierte ein paar Last-Minute-Reiseläden ab. Die Vorstellung, mit leichtem Gepäck und Kreditkarte in den Süden abzudüsen, hatte was.
Doch es gab nur noch ein paar freie Plätze in einem Siebenhundert-Betten-Hotel in Yucatan, für einen Club-Urlaub in der Dominikanischen Republik und für ein paar Tage Copacabana in einem Hotel direkt am Strand – dort, wo Touristen stündlich überfallen
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