Grappa 17 - Grappa und die Nackenbeisser
Schmitz höchstpersönlich anwesend. Sie war bestimmt schon mittendrin im Rentenalter, aber ich hatte von ihr noch nie einen Satz über den künftigen Ruhestand gehört. Sie gehörte in den Laden wie das Brot in der Auslage und der Duft aus dem Brötchenbackofen.
»Tach auch«, begann ich mit dem Ritual.
»Tach. Wie isses?«
»Geht so. Viel Stress.«
Anneliese Schmitz nickte. »Ist der Chef noch im Knast?«
»Nein, und ab morgen arbeitet er wieder«, antwortete ich. »Ich übrigens auch.«
»Ich hab gestern nach Ihrem Namen gesucht«, erzählte sie. »Im Tageblatt. Kam abba nix.«
»Ich hab trotzdem an dem Fall weitergearbeitet.«
»Undercover?« Wie immer interessierten sie alle kriminalistischen Dinge.
»Kann man so sagen. Wussten Sie, dass Ihre Mandelhörnchen sich in weiße Mäuse verwandeln können?«, fragte ich.
»Die Hörnchen?«, fragte sie entsetzt.
»Vergessen Sie's«, beruhigte ich sie. »Ich bin nur ein bisschen durch den Wind.«
»Schwieriger Fall, was?«
Ich nickte. »Kann man so sagen. Die Berghofen hat nicht nur Romane geschrieben, sondern auch als Hexe gearbeitet.«
»Kartenlegen und so?«
»Sie hat mit den Toten im Jenseits gesprochen.«
»Iss 'n Ding!« Die Bäckerin war Feuer und Flamme. »Das möchte ich auch können.«
»Vielleicht hätten Sie ja Talent, wer weiß?«
Ein Kunde betrat das Geschäft. Ein junger Mann in kurzen Sporthosen und nur mit einem Hemdchen bekleidet. Er hatte wohl gerade gejoggt. Der Duft von Schweiß und Herrenparfum vermischte sich mit dem der frischen Brötchen.
Hilfe, dachte ich und schnüffelte, du bist erotisch doch noch nicht über den Berg, Grappa.
»Ein Vierkornbrot und einen Liter Kakao«, verlangte der Mann.
Ich zuckte zusammen. Seine Stimme klang hässlich, hoch und scheppernd.
Anneliese Schmitz packte das Brot ein und kassierte. Ich sah dem Bengel hinterher.
»Und? Nettes Bürschken, oder?«
»Ja, er hätte nur den Mund halten sollen. Haben Sie sein Gekrächze gehört?«
»Man kann nicht alles haben«, meinte sie.
»Ich weiß. Irgendwas ist immer.«
»Sie wollen zu viel, Frau Grappa. Das kann einer gar nicht bringen.«
»Zwischendurch mach ich ja auch mal Kompromisse«, verteidigte ich mich.
»Und sonst?«, fragte sie.
»Muss.«
»Soll ich Frühstück machen?«
»Wär schön«, antwortete ich. »Aber Sie machen doch um elf zu. Das ist jetzt.«
»Ich schließ ab«, erklärte sie. »Und dann mach ich Frühstück für uns zwei alte Mädchen.«
Ich schluckte, hielt mich aber tapfer. Minuten später schleppte Frau Schmitz die Esswaren ins Bistro.
»Nun lassen wir es uns ma richtig gut gehen«, meinte die Bäckersfrau. »Greifen Se zu.«
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Auf dem Tisch stand alles, was ein üppiges Frühstück ausmachte: Rührei, Orangensaft, Lachs und zwei Gläser Sekt.
»Ach, Frau Schmitz«, seufzte ich. »Was brauchen wir Männer, solange es noch andere Genüsse gibt?«
»Recht ham Se«, sagte sie und hob das Glas.
»Ich hab da mal eine Frage, Frau Schmitz«, meinte ich, denn mir war eine prima Idee gekommen. »Hätten Sie Lust, bei einer Totenbeschwörung dabei zu sein?«
Ich erklärte ihr die Zusammenhänge.
»So was wollt' ich imma ma erleben«, freute sie sich. »Stör ich da auch nicht?«
»Keineswegs. Ich sage Ihnen Bescheid, wenn's so weit ist, okay?«
»Danke. Ich bring auch 'n Tablett Häppchen mit. So 'ne Geisterschau ist bestimmt anstrengend.«
Apfelsaft, Heroin und Sex
Montag, elf Uhr, Redaktionskonferenz. Jansen leitete sie in seiner ruhigen und souveränen Art. Der Sitzungsraum war voller als sonst, fast alle Kollegen wollten Jansen ihre Referenz erweisen. Er freute sich und war gerührt.
Wir besprachen das Blatt vom aktuellen Tag, zogen Bilanz unserer Leseraktionen und erstellten den Tagesplan.
»Grappa wird für den Berghofen-Fall freigestellt«, bestimmte Jansen. »Simon, du liest bitte ihre Artikel gegen. Mich könnte man für befangen halten. Ich will mich nicht dem Verdacht aussetzen, die Berichterstattung zu beeinflussen.«
»Harras?«, muffelte ich. »In meinen Artikeln kommen doch keine Tore und Blutgrätschen vor.«
»Grappa, bitte!« Jansens Ton war unmissverständlich.
Harras grinste. »Ich strenge mich auch ganz doll an, dir intellektuell zu folgen.«
Alle lachten und ich fügte mich. Es war so üblich, dass alle Artikel vor der Veröffentlichung gegengelesen wurden. Auch der Chef hielt sich daran.
Jansen teilte zum Ende der Konferenz noch mit, dass er Stellas
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