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Grappa und die keusche Braut

Grappa und die keusche Braut

Titel: Grappa und die keusche Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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erneut. »Sie ist bereit, mit dir zu reden.«

    »Klasse. Wie hast du das hingekriegt?«

    »Ein Zufall kam mir zu Hilfe. Im Flur des Schülertraktes war eine Leuchtstoffröhre defekt. Die habe ich ausgetauscht, direkt vor der Tür zu Carolines Zimmer. Die Namen stehen dran. Ich hab einen Zettel unter der Tür durchgeschoben. Den hat sie prompt beantwortet: Einverstanden! Heute Abend 20 Uhr im Gartenschuppen. Caro. «

    »Wo ist dieser Gartenschuppen?«

    »Das ist ein kleines Backsteinhäuschen im Park.«

    »Das kenne ich«, fiel mir ein. Ich erzählte, wie ich dort am Tag des Amoklaufes zusammen mit Pöppelbaum auf Kleist gestoßen war.
    »Genau das meint Caro. Aber wie kommst du ungesehen dorthin?«

    »Das lass meine Sorge sein«, meinte ich. »Sieh du nur zu, dass du die Zäune auf der Seite zum Wald nicht allzu eifrig reparierst. Kannst du Caroline noch einen Zettel zukommen lassen?«

    »Nein, keinesfalls«, antwortete Brinkhoff. »Ich bin schon zu Hause. Der Hausmeister von Schloss Waldenstein hat nun Feierabend.«

     
    Pöppelbaum war bereit, noch einmal den Weg durch den kaputten Zaun zu nehmen. Er war sogar stolz darauf, die Maid betreuen zu können.

    »Du bringst sie schnurstracks zu mir und dann sehen wir weiter. Und lass dich nicht erwischen.«

    »Ja, ich weiß«, kam es durchs Telefon. »Wenn es schiefgeht, leugnest du, mich zu kennen. Verstoßen wir gegen irgendein Gesetz?«

    »Mach dir keine Sorgen. Das Mädchen ist volljährig«, log ich. »Strafbar macht sich höchstens Lerchenmüller. Wegen Freiheitsberaubung.«
    »Mein Handy schalte ich aus – nur damit du Bescheid weißt«, kündigte der Bluthund an. »Und anschließend erwarte ich einen Martini – gerührt, nicht geschüttelt.«

     
    Ich war froh, dass der Knipser den Befreier spielen wollte. Für solche Nummern war ich entschieden zu alt. Meinen letzten Sprint über den Internatsrasen spürte ich immer noch in den Knochen und in den höheren Klassen des Gymnasiums hatte ich den Schulsport meist geschwänzt. Ich hatte schon immer lieber Bücher gelesen, als auf dem Schwebebalken Gleichgewichtssinn geprobt. Als Volksschulkind hatten mich meine Eltern in den Ballettunterricht geschickt. Ich sollte weibliche Anmut lernen. Meine Karriere gipfelte in der Rolle eines Baums in Schneewittchen. Ich war die Eiche.

    Zu warten war nicht angenehm. Ich versuchte, mich mit Internetrecherchen über Lara Lindenthal abzulenken. Jeder Mensch, der mit den elektronischen Medien umgeht, hinterlässt Spuren. Doch die waren spärlich, was die Lehrerin betraf. Sie war Beisitzerin im Philologen-Landesverband, hatte sich in einem medizinischen Forum über Allergien informiert und war Mitglied in einem Pädagogenforum. Ich fand keinerlei Anlass, an der Glaubwürdigkeit Lara Lindenthals zu zweifeln.
    Inzwischen war es schon neun Uhr. Wo blieben die beiden? War Pöppelbaum erwischt worden? Oder hatte Caro ihr Zimmer nicht verlassen können? Meine Aufgeregtheit ließ mich den Fernseher einschalten. Noch immer war die missglückte Trauerfeier Thema. In Ermangelung neuer Informationen zeigten die Sender die alten Bilder und ließen sie von Psychologen interpretieren. Caroline von Fuchs’ Anklage gegen Lara Lindenthal wurde als Übersprunghandlung gewertet, die durch den Verlust der Klassenkameraden begründet wurde.

    Ich zappte weiter. Bei einem Privatsender geriet ich in eine Sendung, die sich mit Hartz-IV-Betrügern befasste. Drei Fälle wurden präsentiert: Eine zweiunddreißigjährige Frau, die ihre vom Staat finanzierte Wohnung an fünfunddreißig tamilische Asylbewerber untervermietet und das Geld eingesteckt hatte, ein fünfundfünfzigjähriger ehemaliger Postzusteller, der an Mallorcas Ballermann literweise Sangria verkaufte, und eine alleinerziehende Mutter, die ihre acht Wunschkinder zum Betteln in die Fußgängerzonen abkommandierte.

    Ich schaltete das Gerät aus, ging in die Küche und öffnete eine Flasche Grauburgunder. Halb zehn. Was war nur mit den beiden? Endlich erlöste mich die Türklingel. Ich öffnete, ohne Licht zu machen. Die beiden schlüpften in mein Haus.

    Pöppelbaum war ganz in Grau gekleidet und trug sogar eine graue Wollmütze. Hatte er wohl versucht, wie ein Ninja mit der Dämmerung zu verschmelzen? Jedenfalls hatte es nicht geschadet, sie waren da.

    Caroline von Fuchs sah aus der Nähe anders aus als auf der Bühne und den Fotos. Besonders eindrucksvoll waren ihre Augen: groß und klar, flaschengrüne Iris. Sie war gekleidet wie

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