Grappa Und Die Seelenfaenger
sie zu, blieb dann aber stehen.
Mir war, als würden die Geräusche um uns herum verstummen.
Bettina Weber drückte das Kreuz durch, warf den Kopf zurück und ging schnell an Weber vorbei, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen.
Pöppelbaum reagierte und machte seine Arbeit.
»Bettina …« Webers Stimme war nur noch ein Krächzen. »Nun warte doch!«
Doch Bettina war schon längst auf dem Weg zur Trauerhalle.
Wayne und ich nahmen Weber in die Mitte. Er weinte lautlos.
»Halten Sie das durch?«, fragte ich.
Er antwortete nicht, strebte aber weiter voran.
»Wir bleiben in Ihrer Nähe«, versprach ich. »Wer hat diese Beerdigung eigentlich organisiert?«
»Ich. Und ich habe diese Leute nicht eingeladen. Niemanden von ihnen. Nur Bettina. Und wenn einer von denen es wagt zu reden, dann werde ich das zu verhindern wissen.«
Das hörte sich nach einer Menge Ärger an. Die Trauerhalle kam in Sicht. Ein Organist spielte Bach.
Weber schob die Tür auf. Der Raum war zur Hälfte gefüllt.
»Ich habe den Pfarrer der Gemeinde beauftragt, die Totenrede zu halten«, flüsterte Weber. »Da ist er.«
Er ging zu dem Geistlichen hin, drückte ihm die Hand und sprach mit ihm.
Ich blickte mich um. Zu meiner Überraschung bemerkte ich Kleist – begleitet von zwei Kollegen in Zivil. Hatte ihn unser gestriges Telefonat dazu gebracht, an der Beerdigung teilzunehmen?
»Soll ich Fotos machen?«, fragte Pöppelbaum leise.
»Nur, wenn es niemand mitbekommt«, antwortete ich. »Lass den Blitz weg und bleib unauffällig. Ich brauch die Polizei, den Sarg und die Sektenleute. Und falls es Krach geben sollte …«
»Alles klar, Grappa.«
Der Organist beendete sein Spiel. Ich setzte mich so, dass ich die Erleuchteten gut betrachten konnte. Robert Fuchs war eine imposante Erscheinung, das musste ich zugeben. Er sah besser aus als auf den Fotos und ich konnte mir gut vorstellen, dass die kleinen Sektenmädchen auf ihn abfuhren. Macht und gutes Aussehen wirkten immer sexy. Und als Operierender Thetan – so aufgeplustert diese Bezeichnung auch klang – hatte er diese Macht innerhalb der Sekte.
Rechts und links von Fuchs saßen zwei Frauen. Bettina Weber und eine sehr schlanke, fast magersüchtig anmutende Frau mittleren Alters.
Der Pfarrer hob zu seiner Rede an.
»Liebe Trauergemeinde, wir verabschieden heute Monika Weber. Dieser Abschied tut uns allen weh. Der bittere Schmerz wird nachlassen, doch der Verlust bleibt ein Leben lang. Monika hat die Schwelle zu einem Reich überschritten, in das wir sie nicht begleiten können. Unsere Gedanken gelten ihrem Vater und ihrer Schwester …«
Bettina Weber zuckte nicht mit der Wimper. War sie wirklich so kalt oder riss sie sich nur zusammen?
»Heute wollen wir der Traurigkeit eine Stimme geben«, machte der Pfarrer weiter. »Monika wurde nur zweiunddreißig Jahre alt. In dieser Lebenszeit hat Gott es ihr nicht immer einfach gemacht und ihr Prüfungen auferlegt. Die Mutter starb früh, und als junge Frau geriet Monika in die Fänge einer Gemeinschaft, die sich Kirche nennt, aber keinen Gott hat – außer dem Gott Mammon. Sie war zu schwach, um den Irrweg zu erkennen. Sie verweigerte Hilfe. Das wurde ihr zum Verhängnis, und ihrem ungeborenen Kind, dessen kleine Seele nicht die Chance hatte, in diese Welt zu gelangen. Dennoch bin ich sicher, dass sich Gott der Verstorbenen und ihres Kindes annehmen wird.«
Arnold Weber zuckte in einem Weinkrampf. Bettina Webers Gesichtszüge wirkten noch immer unbeweglich, doch ihre Augen waren voller Tränen. Robert Fuchs hatte seine undurchdringliche Miene beibehalten. Die magere Frau neben ihm dagegen hatte die Hände vors Gesicht geschlagen und weinte bitterlich. Fuchs schaute kurz zur Seite und griff nach dem Arm der Weinenden.
»Wir danken Monika für manches gute Wort und für ein Lächeln.« Der Pfarrer war auf der Zielgeraden. »Wir haben einen wichtigen Menschen verloren und unser Herz ist schwer, doch uns bewegt in dieser Stunde auch die Dankbarkeit, einen ganz besonderen Menschen gekannt zu haben. Lassen Sie uns einen Augenblick schweigen – zur Erinnerung an Monika.«
Nach der Schweigeminute erklang erneut die Orgel. Der Sarg wurde auf einen Wagen gezogen und aus der Halle gefahren, um unter die Erde gebracht zu werden. Arnold Weber, der Pfarrer und einige der Trauergäste folgten.
Auch die Sektenmitglieder verließen das Gebäude. Fuchs ging voran. Draußen warteten Kleist und Kollegen. Pöppelbaum fotografierte. Fuchs folgte
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