Grappa und die Toten vom See
Galerie mediterraner Blumenkübel stand ein Tisch, der Ungestörtheit versprach. Mir fiel siedend heiß ein, dass ich die kleine Palme aus Meina dringend einpflanzen musste.
»Eine tragische Geschichte«, begann ich, nachdem wir Platz genommen hatten. »Woher kannten Sie David?«
»Wir haben uns über Melanie kennengelernt. Ich bin freier Journalist und beschäftige mich seit Jahren mit der Entwicklung der rechten Szene in Deutschland. Sie hat mir von ihrem Cousin in Israel erzählt und den Kontakt hergestellt. Per E-Mail.«
»Ich hab von Ihnen noch nie etwas gelesen«, gestand ich. »Auch im Netz ist kein Text zu finden. Wie kommt das?«
»Ich benutze das Pseudonym Holger Bruns«, antwortete Fellner. »Die Rechten haben mich mal zusammengeschlagen. Das muss ich nicht noch mal haben. Zumal die Polizei immer noch auf dem rechten Auge blind zu sein scheint.«
»Ich wundere mich, dass noch immer so viele Menschen anfällig sind für rechtes Gedankengut«, sagte ich. »Gerade wir Deutschen sollten es besser wissen.«
Der Kellner rückte an und wir bestellten Salat, Pasta und Wasser. Aus den Lautsprechern perlte klassische Harfenmusik. Die Stühle waren bequem – ein Segen für meinen Rücken. Der war noch leicht lädiert – die Stühle Marke Touristenquäler vom Lago hatten ihre Spuren hinterlassen.
»Faschistische Gedanken gibt es in jeder Gesellschaft«, meinte Fellner. »Vor ein paar Jahren war es allerdings noch einfacher, die Faschos zu benennen. Sie trugen ihre kackbraunen Hemden, ließen sich Glatzen scheren, steckten ihre Füße in Springerstiefel und grölten rassistische Parolen.«
»Stimmt. Heute sind sie nicht mehr ganz so laut und haben sich einen intellektuellen Überbau zugelegt.«
»Ja. Und sie greifen genau die Themen auf, die in unserer Gesellschaft kritisch diskutiert werden. Arbeitslosigkeit, Ausländerkriminalität, Armut und Zukunftsängste. Ihre Lösungen sind brutal einfach: raus mit den Schmarotzern, weg mit den Ausländern und alle Arbeitsplätze für Deutsche. Das kommt an.«
Der Salat war knackig frisch, das Knoblauchdressing duftete, der Mozzarella di bufalo war sämig und die Oliven glänzten schwarz. Merkwürdig, dass sich in unser Essen die ausländischen Zutaten eingeschlichen hatten, ohne dass jemand gleich von Überfremdung sprach. Oder essen Neonazis keine Pizza?
»Haben Sie ein Foto von David Cohn?«, fragte ich. »Ich würde gern wissen, wie er ausgesehen hat. Dann kann ich besser über ihn schreiben.«
Fabian schüttelte den Kopf. »Nein. Warum sollte ich ein Foto von ihm haben? Vermutlich gibt es in Israel Fotos, immerhin hatte David ja dort eine Familie. Oder vielleicht besitzen die Mahlers ein Familienalbum, in dem er eingeklebt ist. Fragen Sie doch mal bei der Polizei nach.«
»Gute Idee«, lächelte ich. »Das Bundeskriminalamt ist immer die beste Adresse für Journalisten.«
Er begriff die Ironie und grinste. Wir aßen schweigend die Pasta. Zweimal frische Ravioli mit Ricotta-Spinatfüllung, garniert mit gerösteten Pinienkernen und Salbeibutter. Die Harfe hatte ausgeperlt, nun ertönte Flötenmusik aus dem italienischen Barock.
Ich spülte mit dem Wasser die letzte Salbeibutter aus meinem Gaumen. »Was hat David herausbekommen? Was hat ihn das Leben gekostet?«
Fellner schob den Teller von sich. »Ich habe mir den Kopf zerbrochen. Habe mir jedes Gespräch mit ihm noch einmal ins Gedächtnis zurückgeholt, aber ich habe keine Idee.«
»Erzählen Sie einfach, worüber Sie geredet haben, vielleicht haben wir zusammen Erfolg! Er wollte seine Informationen retten, sonst hätte er den USB-Stick nicht verschluckt.«
»Aber da scheint nichts Relevantes drauf zu sein«, gab Fellner zu bedenken. »Ich habe mich gefragt, wie ich mich selbst verhalten hätte. Darf ich das mal eben durchspielen?«
»Nur los!«
»David ist an einer brandheißen Geschichte dran. Aus seinen Recherchen über die Familiengeschichte hat sich eine Spur ins Heute ergeben. Etwas, was einem unserer Zeitgenossen sehr wehtun würde, wenn es bekannt würde. Der Zeitgenosse bekommt Wind von Davids Recherchen und will eine Veröffentlichung verhindern. Er kauft sich einen Killer. Der Killer beobachtet David. Dann erfolgt die Reise nach Italien. Der Killer kriegt es irgendwie hin, sich mit David im Wald zu verabreden. Vielleicht hat er ihn mit angeblichen Informationen geködert. Er wartet dort auf ihn. Aber David kommt nicht allein, Mahlers sind dabei. Der Killer zieht die P8 und beginnt, ein
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