Grappa und die Toten vom See
Kleine hatte Schiss vor den Kumpels ihres Freundes. Mehr weiß ich auch nicht.«
»Hast du Lichts Handynummer?«
»Nee, aber ihre Karte.« Er reichte sie mir.
In meinem Büro überlegte ich, was ich tun sollte.
Ich schaute auf die Visitenkarte. Luisa Licht, Beratungsstelle für die Opfer rechter Gewalt. Der Verein arbeitete noch nicht lange in Bierstadt. Er bekam Unterstützung vom Land und der Stadt und existierte sonst von Spenden. Ich wählte Lichts Nummer. Sie war bereit, sich mit mir zu treffen.
»Chantal ist erst achtzehn und schwanger von einem Nazischläger«, berichtete sie eine halbe Stunde später freimütig. Wir saßen in einem Café im Bierstädter Kreuzviertel. »Der Kerl hat sich seit vierzehn Tagen nicht mehr gemeldet. Vermutlich hat er sich aus dem Staub gemacht. Jetzt sitzen ihr seine Freunde im Nacken.«
»Was wollen die denn von dem Mädchen?«
»Wissen, wo ihr Freund ist. Dabei sucht sie ihn ja selbst.«
»Ist der Freund schon mal aufgefallen?«
»Nun ja, er ist der Mann fürs Grobe in der Szene und sehr geschickt. Er wurde nie verhaftet oder angeklagt. Chantal hatte gehofft, dass er sich jetzt, wo sie schwanger ist, von seinen Kumpanen zurückzieht. Aber es änderte sich nichts. Jeden Abend Treffen im Nationalen Zentrum mit viel Alkohol, Schießübungen und ab und zu mal ein Zug durch den Norden – Ausländer klatschen. Sie hat ihm eine Szene gemacht. Er hat sie daraufhin verprügelt und seitdem ist er weg. Dem Baby ist zum Glück nichts passiert.«
»Will sie ihn denn zurück?«
»Ich glaube nicht. Aber wegen des Kindes will sie auf jeden Fall wissen, wo sie Schatto erreichen kann. So heißt der Typ.«
Am späten Nachmittag erreichte mich endlich die Pressemitteilung, von der Kleist gesprochen hatte. Absender war das Bundeskriminalamt. Der Inhalt war mager, aber ich konnte die Zeilen, die mir Schnack zugeteilt hatte, damit füllen.
Wer suchet, der findet: Nach einer zweiten Untersuchung der Umgebung rund um den Tatort haben Spurensicherer von Interpol die Waffe entdeckt, mit der fünf Menschen erschossen worden sind. Sie lag in einem Steinbruch in der Nähe des Ortes Pisano. Dort sind vor gut einer Woche die Bierstädter Familie Mahler, ein Journalist aus Israel und ein unbekannter Radfahrer kaltblütig hingerichtet worden. Bei der Tatwaffe handelt es sich um eine P8 der Firma
Heckler & Koch,
die mit einem Schalldämpfer ausgestattet ist. Die Pistole gehört zur Standardausrüstung der deutschen Bundeswehr, wird aber auch von Polizeikräften in aller Welt benutzt. Die P8 zeichnet sich durch schnelle Schussbereitschaft und einfache Handhabung aus. Befüllt wird die Pistole mit Stangenmagazinen für fünfzehn Patronen. Der kriminaltechnische Vergleich zwischen der Waffe und den Projektilen, die in den Leichen gefunden wurden, ergab eine eindeutige Zuordnung. Die Waffe ist nicht registriert.
Spuckzone und Katzenkot
Im Morgengrauen klingelte mein Handy: Pöppelbaum.
»Ins Haus der Mahlers ist eingebrochen worden«, erklärte er knapp. »Die Bullen sind unterwegs. Ich auch. Und du?«
»Klar. Wo muss ich hin?«
Er nannte mir die Adresse. Die Uhr zeigte drei. Fluchend rannte ich ins Badezimmer und warf mir Wasser ins Gesicht.
Langsam bist du zu alt für diese Nummern, Grappa, dachte ich, meine Merkel-Falte wird sich noch weiter vertiefen.
Halbwegs wach startete ich den Golf. Ich öffnete das Verdeck, der Wind würde mein Hirn in Schwung bringen – hoffte ich. Doch leider fror ich nur. Ende September eben.
Ein Streifenwagen stand vor dem Haus, dessen Adresse Wayne mir genannt hatte. Der Bluthund war schon eingetroffen und unterhielt sich mit einem der beiden Polizisten. Ich zückte den Presseausweis und gesellte mich dazu.
»Tach, die Herren. Was gibt es?«
»Einbruch. Die Hausbesitzer sind wohl nicht da«, erklärte ein Polizist.
»Ich weiß. Wollen Sie nicht nachschauen, was drinnen los ist?«, fragte ich.
»Nein. Ich warte auf die Kollegen vom Einbruchsdezernat.«
»Wollen Sie nicht auch die Mordkommission informieren? Interpol? Das BKA?«
»Verarschen kann ich mich alleine, meine Dame!«
»Ist das Haus denn nicht versiegelt?«, fragte ich.
»Warum sollte es versiegelt sein?«
Pöppelbaum grinste und ich verstand: Der Streifenbeamte hatte keine Ahnung, um welches Haus es sich hier handelte. Ich rief Kleist an. Seine Stimme klang verschlafen.
»Jemand ist in Mahlers Haus eingebrochen«, teile ich ihm mit. »Deine Kollegen von der Streife wissen anscheinend nicht, wer
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