Grappa und die Toten vom See
besichtigte – für den Fall, dass er leugnen sollte, jemals dort gewesen zu sein.
Kleist telefonierte mit einem Kollegen und ordnete an, dass uns zwei Polizisten in Zivil begleiteten. Währenddessen informierte ich Frau Schmitz über unseren bevorstehenden Besuch.
»Dann kommt ma wacka rüber«, meinte sie. »Und ich mach Kaffee.«
Der schwarze Mercedes mit dem Münchner Kennzeichen stand gegenüber von Frau Schmitzens Haus.
Die Bäckerin hatte verweinte Augen.
»Was ist denn los, Frau Schmitz?«, fragte ich erschrocken.
»Kommt erst ma rein«, schniefte sie. Sie führte uns ins Wohnzimmer. Auf dem Sofa rekelte sich ein grau getigerter Kater, der irgendwie lädiert wirkte.
»Das ist der Horsti«, erklärte die Bäckerin. »Der ist mir zugelaufen. Der hat keinen mehr und ich fütter ihn. Deshalb kommt er imma in den Garten.«
»Ja, und?«
»Der Golombeck hasst Katzen. Die Nachbarn sagen, dass er alle verjagt hat mit Gift und Fallen. Er soll sogar mal auf die armen Tiere geschossen haben, mit der Flitsche. Und jetzt hat er Mausefallen ausgelegt und Horsti ist mit dem Fuß da reingeraten.«
Horsti miaute, als wolle er die Aussage von Frau Schmitz bestätigen.
Kleist untersuchte die Pfote. Die war erheblich angeschwollen. »Da muss der Tierarzt ran.«
»Jetzt verletzt der widerliche Fascho schon unschuldige Tiere«, jammerte die Bäckerin. »Wär ich bloß nicht hierher gezogen. Wenn ich im Lotto gewinne, dann hau ich hier ab und schenke das Haus einer Türkenfamilie mit massenhaft Kindern. Dann kriegt der Golombeck ’ne schöne Zeit.«
»Gute Idee«, grinste ich. »Am besten an Türken mit Tourette-Syndrom.«
»Rachsüchtiges Weibsvolk«, sagte Kleist amüsiert. »Wo bleiben nur die Kollegen?«
Schon klingelte es. Frau Schmitz und Kleist gingen zur Tür. Horsti miaute und hob die rechte Pfote.
Deutschland lieben und schützen
Manfred Motte schien kaum überrascht zu sein, dass ihn die Polizei sprechen wollte.
»Ich habe damit gerechnet, dass Sie zu mir kommen«, gab er an. »Aber ich möchte meine Aussage auf dem Polizeipräsidium machen und nicht hier vor meinen Freunden.«
Herr und Frau Golombeck standen stumm dabei. Die Dame des Hauses, die ihren Gesichtszügen nach nicht viel Freude im Leben gehabt haben konnte, lächelte gequält.
Ich schaute mich um. Hier war alles geleckt sauber. Die Schrankwand und die Klubgarnitur stammten aus den Sechzigerjahren, an der Wand hingen gerahmte Bilder mit Bergmotiven. Sogar Bücher hatten sich in den Schrank verirrt. Die Erinnerungen von Albert Speer, dem Architekten des Führers, ein Bildband über die Deutschen Kolonien sowie Soldatenromane. Auf dem Esstisch lag die Preußische Allgemeine Zeitung mit dem Untertitel Das Ostpreußenblatt. Konservative Lektüre, aber nicht illegal.
Auf dem Nachtschrank wartet bestimmt Mein Kampf als Gutenachtlektüre, dachte ich.
»Sie sind Mitglieder der Autonomen Nationalisten? «, fragte Kleist das Ehepaar.
»Wir waren Mitglieder«, antwortete Golombeck. »Die Vereinigung ist ja leider verboten worden. Aber wir engagieren uns weiter in der Sozialen Alternative Dorstfeld. Weil wir unser Deutschland lieben und es schützen wollen.«
»Und deshalb bedrohen Sie Ihre Nachbarin und brechen unschuldigen Katzen die Pfoten?«, platzte es aus mir heraus.
»Das muss erst mal bewiesen werden«, grinste Golombeck. »Wer sind Sie überhaupt?«
»Das ist die Journalistin, die schon am Lago Maggiore recherchiert hat«, erklärte Motte seinem Freund. »Frau Grappa, richtig?«
»Verlassen Sie sofort das Haus!«, krähte Frau Golombeck. »Solche linken Bazillen haben hier nichts zu suchen!«
»Bleib ruhig, Gisela«, sagte Motte. »Ich begleite die Herren ins Präsidium. Am Abend bin ich wieder da. Können wir?«
Kleist, seine Kollegen und Manfred Motte verabschiedeten sich. Ich ging zurück zu Frau Schmitz. Sie hielt den verletzten Kater im Arm und bedauerte ihn. Er streckte ihr den Bauch entgegen und ließ sich ausgiebig kraulen.
»Ob die jetzt aufhören, mich zu mobben, weil der Herr Doktor Kleist mit denen gesprochen hat?«, fragte die Bäckerin.
»Wir werden sehen«, antwortete ich. »Ich würde allzu gern wissen, was diese Golombecks mit Motte zu tun haben. Komisch, dass der nicht in einem Viersternehotel wohnt, sondern in der miefigen Zechenhütte. Immerhin ist er Seniorchef eines Weltkonzerns. Am Geld kann es nicht liegen.«
Drei Stunden später unterrichtete mich Kleist über das Ergebnis des Verhörs. Er mailte mir sogar
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