Grappa und die Toten vom See
sollte.«
Es klopfte. Susi brachte mir ungefragt einen Kaffee und erkundigte sich nach Mottes Wünschen. Er bestellte ein stilles Wasser.
»David Cohn hat Ihren Vater dann aber gar nicht getroffen, jedenfalls nicht in Deutschland!«
»Stimmt. Das lag aber an Cohn. Er hat etwas von einer Dienstreise gesagt, in Wahrheit war er im Italien-Urlaub mit seinen deutschen Verwandten. Inzwischen weiß ich, dass er die Geschichte seiner Familie aufarbeiten wollte. Was die allerdings mit meiner Familie zu tun hat, war mir damals unklar.«
»Das geht mir leider immer noch so«, gestand ich.
»Jedenfalls meldete sich Cohn wieder und wollte wissen, ob mein Vater auch an den Lago Maggiore kommen könne«, fuhr Motte fort. »Mein Vater stimmte zu, aber Cohn war dann schon tot, als er eintraf. Wir wissen also bis heute nicht, was er von meinem Vater gewollt hat.«
»Cohn hatte einen Brief seines Großonkels dabei – geschrieben im Jahre 1944«, warf ich ein. »Darin schildert Samuel Cohn seinen Verwandten in den USA das Leben als Flüchtling. Dieser Brief ist niemals abgeschickt worden und die Familie wurde von den Nazis ermordet und im See …«
»Ich weiß, was in dem Brief steht«, unterbrach mich Motte.
»Ach, ja? Gehört das Dokument zu den gestohlenen Papieren aus dem Safe Ihrer Familie?«
»Nein. Einfacher. Ich habe den Text im Bierstädter Tageblatt gelesen. In einem Artikel – verfasst von Ihnen.«
»Ach so, ja.« Ich wurde rot.
Susi brachte eine Wasserflasche und ein Glas. Sie musterte Motte mit unverhohlenem Interesse. »Bitte schön, der Herr.«
Motte bedanke sich nicht, goss ein und trank das Glas in einem Zug leer. Er ist nervös, dachte ich und nahm meinerseits einen Schluck Kaffee. Susi verließ den Raum und warf dabei die Tür etwas zu heftig zu.
»Ich kann aber nicht ausschließen, dass der Brief tatsächlich in unserem Safe lag. Mein Vater reagierte panisch, als ich ihn dazu befragte. Er wollte mir weder dazu noch zu den anderen Unterlagen Genaueres sagen. Ich selbst habe die Sachen nie gesehen.«
»Cohn hat geäußert, sich das Vermögen seiner Vorfahren zurückzuholen. Fällt Ihnen dazu etwas ein?«
»Nicht viel. Dazu müsste ich die Dokumente kennen.«
»Ihr Großvater hieß Laurenz Motte. Was wissen Sie über ihn – außer, dass er die Firma gegründet hat?«, fragte ich.
»Er stammte aus Österreich und kam nach dem Krieg nach Deutschland. Mehr weiß ich nicht«, erzählte Motte. »Er starb, als ich elf war. In diesem Alter interessiert man sich noch nicht für Familiengeschichte.«
»Könnte Ihr Großvater mit dem SS-Hauptsturmführer Theodor Steiger identisch sein?«, spekulierte ich wild drauflos.
Motte erhob sich und lief durch den Raum. »Ich habe Nachforschungen angestellt. Es gibt kein Foto dieses Nazimörders, also konnte ich die Bilder nicht vergleichen. Mein Vater streitet alles ab und hält mich für verrückt. Aber meine Fragen beantwortet er nicht.«
»Und wie sind die Unterlagen in den Firmensafe gekommen? Warum mauert Ihr Vater?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Und Ihre Mutter? Was wusste sie?«
»Mutter war hochgradig depressiv und hat sich vor einem halben Jahr das Leben genommen. Sie hat sich leider nie für die Firma interessiert. Sie lebte in ihrer eigenen Welt und ließ nur selten jemand an sich heran. Am ehesten weiß vielleicht meine Schwester Miriam noch etwas über unsere Vorfahren. Allerdings hat sie der Familie nach Mutters Tod den Rücken gekehrt.«
»Warum das?« Dass Motte so redselig war, musste ich ausnutzen.
Er atmete tief durch. Das Thema schien ihn zu belasten. »Die Ehe meiner Eltern war schon länger zerrüttet. Aber eine Scheidung kam für beide nicht infrage. Also lebten sie nebeneinanderher. Mutter litt sehr darunter.«
Ich entschloss mich, die Frage aller Fragen zu stellen: »Warum sind Sie zu mir gekommen? Für einen Artikel taugt das nicht, was Sie mir erzählt haben.«
Motte räusperte sich. »Ich glaube, dass Sie im Besitz der gestohlenen Unterlagen sind oder zumindest wissen, wo sie sich befinden«, sagte er. »Und ich muss die Sachen wiederhaben. Hunderttausend Euro für Sie, wenn Sie mir die Dokumente beschaffen.«
Ich hustete los. So etwas war mir noch nie passiert.
»Ich weiß nicht, wo die Papiere sind«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Und selbst wenn – ich bin nicht bestechlich. Wenn sich der Erfolg Ihrer Firma auf Geld von getöteten Juden gründen sollte, muss das an die Öffentlichkeit!«
»Sie missverstehen mich, Frau
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