Grappa und die Toten vom See
Telefon auf seine Reaktion.
»Wir haben V-Leute in der Szene«, erklärte er. »Ich bin mir sicher, dass jemand die drei erkennt. Außerdem werden sich die Schläger mit der Tat vor ihresgleichen brüsten. Wir stufen den Angriff auf Frau Schmitz als versuchten Mord ein. Die Ermittlungen laufen. Die Pressemitteilung geht in einer halben Stunde raus. Und du? Gibt’s bei dir Neuigkeiten?«
»Ich hab noch mal nach der Firma Motte geschaut.«
»Hast du Hinweise gefunden, die uns weiterbringen?«, fragte er.
»Die Motte GmbH hat vor drei Jahren das sechzigjährige Bestehen gefeiert. Sie wurde 1950 von einem Laurenz Motte in München gegründet. Zuerst hat die Firma Teile für die Autoindustrie hergestellt, stieg aber dann ziemlich schnell in die Waffenproduktion ein – unterstützt von der Bundesregierung. Motte hatte viele Freunde in Regierungskreisen.«
»Kein Wunder, da saßen in den Fünfzigerjahren noch jede Menge Nazis«, sagte Kleist. »Weißt du auch etwas über die Jahre danach? Oder über die aktuelle Familie?«
»Laurenz Motte starb 1980 hoch angesehen und schwerreich. Manfred Motte, der Sohn, wurde 1944 geboren, er heiratete 1977 Irene Polanski, die Kinder Max und Miriam kamen 1979 und 1983 zur Welt. Max hat die Firma übernommen und Miriam studiert in den USA. Eine prächtige deutsche Vorzeigefamilie! Bis auf einen winzigen Schönheitsfehler.«
»Und der wäre?«
»Irene Motte, geborene Polanski, hat sich vor einem halben Jahr das Leben genommen. Sie war gerade mal sechzig Jahre alt.«
Noch eine Razzia
Die Pressemitteilung war mal wieder karg und sachlich. Immerhin wurde der dringende Tatverdacht gegen Mitglieder der Dorstfelder Neonaziszene unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.
Und dann noch dies: Zurzeit findet eine Durchsuchung der einschlägig bekannten Treffpunkte statt.
Ich schloss mich mit Wayne kurz und wir trafen uns vor Ort.
Die Spezialkräfte hatten Dorstfeld zum Teil abgeriegelt. Ein Beamter, der uns kannte, wies uns zum Wilhelmplatz. Dort sollten wir das Ende der Razzia abwarten. Die mobile Pressestelle würde uns auf dem Laufenden halten. Das war nicht gut für eine exklusive Berichterstattung, denn außer uns warteten hier weitere Kollegen, die die gleichen Fragen stellen würden wie wir.
»High Noon«, meinte Wayne. Er hatte recht. Niemand befand sich auf den Straßen rund um den Platz. Es war still wie in einem Westernfilm, in dem sich ein Duell in der heißen Mittagssonne ankündigte und sich die Bewohner unsichtbar gemacht hatten.
Ein Taxi fuhr vor. Ihm entstieg Luisa Licht. Sie spazierte über den Platz. Sie war eine auffällige Erscheinung: ein zitronengelbes Kleid mit Pailletten und eine schwarze Bolerojacke.
Sie steuerte auf uns zu und entschuldigte sich gleich. »Ich war gerade bei der Hochzeit einer Freundin und konnte mich nicht mehr umziehen.«
»Kein Problem«, meinte ich und boxte Wayne, dem Mund und Nase offen standen, in die Rippen. »Komm mal wieder zu dir, Bruder!«
»Endlich ein lohnendes Fotomotiv«, frotzelte er und legte die Kamera auf Luisa Licht an.
Ich grinste und fragte: »Was machen Sie hier?«
»Wir haben eine Vereinbarung mit der Polizei, dass wir Aktionen gegen die Rechten beobachten dürfen«, erklärte sie. »Deshalb hat man mich informiert.«
»Was soll ich hier denn knipsen, Grappa, wenn die Bullen uns nicht vom Platz lassen?«, maulte Wayne.
»Die Gegend. Die zugezogenen Gardinen. Die Spezialkräfte … Ich töpfere dazu später die Bildunterzeile: Ein Stadtteil in Angst … oder so. Du kennst doch das Spiel.«
Aus einem Haus wurden zwei Männer abgeführt. »Da hast du dein erstes Motiv«, stellte ich fest. »Geh nah ran, ich will die Gesichter der beiden Typen.«
Pöppelbaum machte seinen Job. Ich begab mich zur mobilen Pressestelle, die in einem VW-Bus untergebracht war.
»Wir haben einige Festnahmen«, teilte der Pressepolizist mit. »Uns lagen Hinweise vor, dass sich in zwei Häusern Personen aufhalten, die im dringenden Verdacht stehen, an einem Überfall auf eine Frau beteiligt gewesen zu sein, beziehungsweise diese Tat in Auftrag gegeben zu haben. Nähere Angaben dazu am späten Nachmittag.«
»Wer ist denn überfallen worden?«, fragte Luisa Licht.
»Dazu kann ich Ihnen keine Angaben machen«, erklärte der Beamte.
»Ich aber. Eine Frau aus dem Negerdorf«, raunte ich der hübschen Sozialarbeiterin zu. »Eine alte Freundin von mir. Drei Typen haben sie vergangene Nacht fast totgeschlagen.«
Licht ging auf meinen Ton
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