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Grappa und die Toten vom See

Grappa und die Toten vom See

Titel: Grappa und die Toten vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Wollenhaupt
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von 10.000 Euro ausgesetzt.
    Hass macht einig
    Der nächste Tag brachte eine echte Überraschung. Dr. Hassan Ghafouri lud die Medien zu einer Pressekonferenz ein. Thema: Polizeilicher Willkürakt gegen meinen Mandanten Edward Schaberl . Ausgerechnet Ghafouri wollte SS-Eddi verteidigen! Es widersprach allen gängigen Vorurteilen.
    »Jetzt versteh ich gar nichts mehr«, meinte Pöppelbaum. »Ich dachte immer, die Neonazis sind gegen die Moslems und würden sie am liebsten aus Deutschland hinausjagen. Warum nimmt sich Eddi keinen guten deutschen Anwalt?«
    »Richtig gute deutsche Anwälte drängeln sich nicht zur Verteidigung von Neonazis. Es gibt zwar Anwälte, die der Szene nahestehen, das sind aber eher Kameraden als Rechtsgelehrte«, stellte ich fest. »Islamisten und Nazis haben eins gemeinsam: den Hass auf die Juden! Vielleicht ist das der Nenner, auf dem Ghafouri und SS-Eddi zusammenkommen. Und natürlich das rassistische und menschenverachtende Weltbild.«
    »Man sollte diese Typen alle in einen Sack stecken und im Meer versenken«, meinte Wayne. »Die Nazis meinetwegen in der deutschen Nordsee und die Islamisten im arabischen Meer. Dann wäre die Welt viele Probleme los.«
    »Lass mal hören, wie Ghafouri SS-Eddi raushauen will. Kommst du?«
    Der Anwalt hatte ins Deutsche Eck eingeladen. Wie passend. Diese Traditionskneipe bot jedes Wochenende die Bundesligaspiele des heimischen schwarz-gelben Vereins im Bezahl-TV an, richtete Hochzeiten, Taufen und Jubiläumsfeiern aus und zeigte in den Fenstern schwarz-rot-goldene Dauerbeflaggung.
    Am Tresen hingen Stammkunden bei Bier, Schnaps und Zigaretten. Das gesetzliche Rauchverbot in Kneipen hatte dieses Etablissement noch nicht erreicht.
    »Was trinken die eigentlich ab mittags?«, fragte ich.
    »Ab mittags pennen sie und kommen dann abends wieder«, antwortete Pöppelbaum. »Diese Männer haben eben nichts anderes, Grappa. Noch nicht mal Arbeit. Und das Hartz IV reicht grad, um Bier, Zigaretten und mal ’ne Bulette oder Bratkartoffeln zu finanzieren.«
    »Seit wann hast du so viel Verständnis fürs Prekariat? Hast du einen Schnupperkurs bei der Caritas gemacht?«, fragte ich.
    »Ich bin ja schon still.«
    Die Luft im Saal war feucht und kühl. Die Kamerateams hatten sich die besten Plätze gesichert und Stative und Leuchten aufgebaut.
    Hassan Ghafouri erschien und war sichtlich zufrieden, dass so viele Medien seiner Einladung gefolgt waren. Als er mich erblickte, gefror sein trainiertes Lächeln für eine Sekunde.
    »Der mag dich ja richtig, Grappa«, flüsterte Wayne.
    »Das beruht auf Gegenseitigkeit«, entgegnete ich.
    Ghafouri fing mit dem großen Lamento an. Die Aktion der Polizei war ein »menschenverachtender Übergriff«, setzte die »demokratischen Rechte seines Mandanten außer Kraft« und war der Beweis dafür, dass sich unsere Republik schnurstracks »auf dem Weg zu Polizeistaat« befand.
    »Mir ist übel«, sagte ich halblaut.
    »Haben Sie ein Problem, Frau Grappa?«, fragte der Anwalt.
    »Allerdings«, gab ich zu. »Sogar ein großes Problem. Ihr Mandant hat ein ellenlanges Vorstrafenregister, ist als Schläger bekannt und ein rassistisches Nazischwein. Und er will alle Ausländer nach Hause schicken, und zwar am liebsten mit den Füßen voran. Kommen Sie uns jetzt nicht mit Menschenverachtung der Polizei und Einschränkung der demokratischen Rechte eines SS-Eddis! Warum vertreten ausgerechnet Sie diesen Mann? Sie haben doch selbst einen Migrationshintergrund.«
    »Vielleicht, weil ich Strafverteidiger bin?«, entgegnete Hassan Ghafouri. »Auch Menschen mit einer anderen politischen oder religiösen Anschauung als ich haben das Recht auf die bestmögliche anwaltliche Vertretung. So sieht es unser Rechtssystem vor. Sie haben doch nicht etwa Vorurteile gegen Migranten oder wollen sich gegen dieses System aussprechen, Frau Grappa?«
    »Nur wenn es von Leuten wie Schaberl missbraucht wird.«
    »Wollen Sie eine mediale Hexenjagd gegen meinen Mandanten veranstalten?«, lächelte Ghafouri. »Ist die Presse nicht verpflichtet, ausgewogen und wahr zu berichten?«
    »Ich werde sehr ausgewogen sein – und zwar in alle Richtungen«, blaffte ich.
    Wayne stieß mir seinen Ellenbogen in die Seite. »Lass gut sein. Die anderen wollen auch mal.«
    »Haben Sie Herrn Schaberl schon früher vertreten?«, fragte ein Kollege.
    »Nein. Dies ist mein erstes Mandat.«
    »Und wie läuft die Zusammenarbeit mit ihm?«
    »Einwandfrei. Sehr zielorientiert. Ich bin sicher, dass er

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