Grappa und die Toten vom See
Veröffentlichen oder zum Verschweigen?«, fragte ich.
»Mir sind die gestohlenen Dokumente angeboten worden«, blieb Max Motte unbeeindruckt. »Für eine Million Euro.«
Das war heftig. »Und wer ist der Anbieter?«
»Keine Ahnung. Er hält sich bedeckt.«
»Er?«
»Ich weiß nicht, ob es ein Mann ist. Der Kontakt läuft per E-Mail. Natürlich könnte es auch eine Frau sein. Vielleicht sind Sie es ja.«
Ich lachte. »Kommen Sie mir nicht so.«
»Warum? Vielleicht wollen Sie den Preis in die Höhe treiben.«
»Gehen Sie damit zur Polizei«, riet ich ihm. »Wer die Unterlagen hat, könnte auch mit den Morden zu tun haben.«
»Wenn ich zahle, bekomme ich die Dokumente. Hoffentlich.«
»Gibt es schon Details, wie der Deal ablaufen soll?«
»Nein. Der Anbieter will sich wieder melden, wenn ich dem Geschäft zustimme … und das habe ich noch nicht«, erklärte Motte.
Ich war noch immer misstrauisch. »Warum machen Sie das nicht einfach? Warum kommen Sie ausgerechnet zu mir?«, fragte ich.
»Ich brauche einen Zeugen, der bestätigen kann, dass ich alles dafür tue, die Entstehungsgeschichte unserer Firma ohne Wenn und Aber aufzuarbeiten. Und Sie halte ich für unbestechlich. Sobald ich die Sachen habe, können Sie loslegen.«
»Sie gewähren mir Einsicht in alle Unterlagen – egal, um was es sich handelt?« Ich traute meinen Ohren nicht.
Er versprach mir erneut die Exklusivrechte an der Geschichte – aber nur, wenn ich die Polizei nicht informieren würde. Da konnte ich nicht länger Nein sagen.
Meinen Artikel über Ghafouris Pressekonferenz hielt ich sachlich und kurz. Schnack war zufrieden. Er schraubte noch an seinem Kommentar, als ich das Haus verließ.
Ich haderte mit mir selbst. Sollte ich Kleist die neue Entwicklung mitteilen oder mit Max Motte die Nummer cool durchziehen?
Zu Hause kochte ich einen starken Kaffee, um mein Gehirn in Schwung zu bringen.
Wer zum Teufel bot Max Motte die gestohlenen Dokumente zum Rückkauf an? Im Geist ging ich die Möglichkeiten durch und mir fiel zuerst Fabian Fellner ein. Er hatte Kontakt zu David Cohn gehabt und war vom Mossad beauftragt worden, die Unterlagen zu beschaffen. Bei seiner Behauptung, erfolglos gewesen zu sein, konnte es sich auch um eine faustdicke Lüge handeln. Wollte er sich mit der Million absetzen und sich ein neues Leben abseits vom Geheimdienst finanzieren?
Wo und wann konnte der Unbekannte an die Unterlagen gekommen sein? Vor dem Mord in Italien oder beim Einbruch in die Mahler-Villa? Vielleicht hatte ja auch die italienische Polizei die Sachen im Hotelzimmer gefunden und Kleist nichts davon erzählt. Hatte Condi Maronetti die Beweismittel unterschlagen, um ein bisschen Kasse zu machen?
Meine Denkspiele brachten mich nicht weiter. Plötzlich gab es zu viele Personen im Spiel.
Fehler beim Bombenbasteln
Die Frühsendung im Radio wartete mit den neuesten Informationen auf: SS-Eddi wurde entgegen den Prognosen seines Verteidigers nicht aus der U-Haft entlassen. Ganz im Gegenteil. Der Generalbundesanwalt übernahm die Ermittlungen, denn die Bombe vom Hauptbahnhof wäre tatsächlich explosionsfähig gewesen – wenn die Neonazis die Bastelanleitung richtig gelesen hätten. Bierstadt war nur haarscharf einer Katastrophe entgangen.
Die Jagd auf weitere Mittäter wurde angeblasen. Eine zwanzigköpfige Sonderkommission wurde nach Bierstadt abgeordnet und arbeitete auf Hochtouren. Der Staat scheute plötzlich keine Kosten und Mühen, gegen rechtsradikalen Terror vorzugehen.
Gleich am Morgen rief ich Kleist an.
»Wird ja langsam eng bei euch«, stellte ich fest. »Reichen die Büros im Präsidium denn für alle?«
»Wir haben den Fitnessraum mit Schreibtischen und Computern ausgestattet«, entgegnete er. »Warum fragst du?«
»Das wäre doch ein nettes Foto«, meinte ich. »Zwanzig BKA-Beamte suchen rechtsradikale Bombenbastler. Sind das dieselben Leute, die schon bei den Döner-Morden geschwächelt haben?«
»Die Bezeichnung Döner-Morde ist inzwischen verpönt, liebe Maria«, wies er mich zurecht. »Ein überaus unglücklicher Begriff.«
»Den ich nicht erfunden habe. Was ist mit SS-Eddi? Redet er endlich?«
»Warum sollte er? Sein Anwalt wird ihm abraten. Merkst du eigentlich, dass du gerade dabei bist, mich auszufragen?«
»Nein, ich doch nicht!«, lachte ich. »Gleich hole ich Frau Schmitz aus der Klinik ab, sie wird heute entlassen. Das ist doch ein Grund zur Freude, oder?«
»Dann grüß sie von mir«, bat Kleist. »Mir fehlen die
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